Vor 500 Jahren schuf Albrecht Dürer seine "Betenden Hände"

Tausendmal kopiert

Vor etwa 500 Jahren entstanden Albrecht Dürers Hände. Das seinerzeit völlig unbedeutende Motiv trat vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Siegeszug rund um den Globus an.

 (DR)

Die Dürer-Stadt Nürnberg hat das Jubiläum nun zum Anlass genommen, dieser Erfolgsgeschichte nachzuspüren Für den jungen Praktikanten war es ein Geschenk, das von Herzen kam. Etwa 20 Mark gab er 1962 in Berchtesgaden für das geschnitzte Relief von Albrecht Dürers "Betenden Händen" aus. Das war viel Geld für ihn, aber er brauchte ein Präsent zum Muttertag.  "Ein kleines Dankeschön von Deinem Sohn Gerhard" steht auf der Rückseite.

Viele solcher Geschichte rund um Dürers Betende Hände hat die Volkskundlerin Claudia Selheim vom Germanischen Nationalmuseum gesammelt. Und dazu auch die Geschichten der Besitzer aufgeschrieben. Ab Freitag sind ihre Fundstücke mit vielen anderen mehr oder minder kunstvoll gestalteten Abbildern der Dürer-Zeichnung in einer Ausstellung in Nürnberg zu sehen.

Das häufigsten kopierte Werk des Nürnberger Meisters
Die "Betenden Hände" sind wohl neben den Hasen das bekannteste und am häufigsten kopierte Werk des Nürnberger Meisters. Das Original, heute im Besitz der Albertina in Wien, ist eine von mehreren Studien für ein Altarbild, das 1508 vom Frankfurter Kaufmann Jakob Heller bestellt war. Erst fast 400 Jahre später wird das Motiv einem größeren Publikum bekannt, als die "Hände" 1871 erstmals ausgestellt werden. Gleichzeitig bedient sich auch das gerade gegründete Deutsche Reich des Nürnberger Meisters als Inbegriff des deutschen Künstlers.

Damit beginnt die Konjunktur für populäre Repliken. 1874 bringt ein Münchner Kunstverlag Postkarten heraus. Seit etwa 1900 verlegt die Agentur des evangelischen Kinderheims "Rauhes Haus" in Hamburg das Motiv als Konfirmationsschein. "Es ist auch ein von den nationalsozialistischen Machthabern akzeptiertes und propagiertes Volkssymbol, da es aus der Hand des von ihnen verehrten Künstlers Albrecht Dürer stammt", sagt Selheim.

In der jungen Bundesrepublik, aber auch in der DDR gibt es einen wahren Boom an "Betenden Händen". Drucke, Bronze-Reliefs, aber auch Weihwasserkesselchen und aus Wachs oder Ton hergestellte Plastiken werden zu Bestsellern der Devotionalienhändler. Ein Grund für den Massenerfolg liegt im Motiv selbst, das, so die Volkskundlerin, "vielfältig einsetzbar" ist. "Die Hände können Gebet, aber auch Dank ausdrücken." Und sie dienen oft auch als Schutzengel-Ersatz.

Deshalb hängen die Reliefs gern im Schlafzimmer, manchmal gar als gewebter Wandschmuck. Über dem Ehebett der Schwiegereltern finden auch jene "Betenden Hände" ihren Platz, die ein Soldat während seiner Zeit bei den Gebirgsjägern im oberbayerischen Brannenburg im Rahmen des Freizeitprogramms 1960 in der Kaserne geschnitzt hat.

Viel Kurioses
Selheim und ihre Kollegen von den Städtischen Museen haben unter den rund 200 begutachteten Repliken viel Kurioses entdeckt. Ein junger Vater etwa, selbst Beamter, hatte sich die "Betenden Hände" auf den Oberarm tätowieren lassen, als Ausdruck der Sorge um seine zwei Söhne. Das Museum stellt aber nicht das Original-Tattoo aus, sondern eine Fotografie.

Auf nackte Haut, Grabplatten, aber auch auf Kühlerhauben von Autos und Motorradtanks wird Dürers Zeichnung immer wieder kopiert. Sogar ein mit den "Betenden Händen" bemaltes Pfauen-Ei gehört zu Selheims Kollektion. Nur in einen Kirchenraum, wo man die fromme Darstellung am ehesten vermuten würde, fanden sie offenbar nie Eingang.