Vor 40 Jahren wurde die Piusbruderschaft vorübergehend anerkannt

Klein aber kantig

Als der Vatikan vor fast zwei Jahren die Verhandlungen mit der Piusbruderschaft aufnahm, war das nicht der erste Versuch eines gemeinsamen Wegs: Bereits vor 40 Jahren wurde die Gruppierung einmal anerkannt.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Nicht wenige warnen, es sei ein Trojanisches Pferd, das der Vatikan da zu Verhandlungen in seine Mauern gebeten habe. Einmal eingelassen, werde es versuchen, die Festung von innen her zu nehmen. So schienen es zunächst auch die vier Bischöfe der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. zu sehen, als Papst Benedikt XVI. im Januar 2009 überraschend ihre Exkommunikation aufhob: Nun werde man Rom bekehren, tönte etwa Traditionalisten-Bischof Bernard Tissier de Mallerais. Auch wenn diese Euphorie nach einigen Verhandlungsrunden inzwischen verflogen zu sein scheint: Auch 40 Jahre nach ihrer - vorübergehenden - kirchlichen Anerkennung am 1. November 1970 bleibt die Gruppierung, was sie immer war: klein und kantig.



Entstanden in der innerkirchlich turbulenten Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), war die konservative Priesterbruderschaft zunächst kirchlich anerkannt. Als aber die Gründerfigur, der französische Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991), im Juni 1988 gegen das ausdrückliche Verbot des Papstes vier Priester zu Bischöfen weihte, vollzog er selbst die jüngste Spaltung der Kirchengeschichte.



Neben der Liturgiereform des Konzils lehnen die Traditionalisten vor allem die Religionsfreiheit sowie den ökumenischen und interreligiösen Dialog ab. Rom werfen sie vor, mit den Lehren des Konzils die kirchliche Tradition zerstört zu haben. Die Einführung der Muttersprache in die Liturgie und die stärkere Einbindung der Gemeinde in den Gottesdienst gelten ihnen als protestantisches Gedankengut. Sich selbst halten die Lefebvrianer für Wahrer der kirchlichen Tradition. "Die Wahrheit", so ihr heutiger Generaloberer Bernard Fellay, "ist eine eifersüchtige Köchin, wenn es um ihre Ausschließlichkeit geht."



Aufsehen erregende Bischofsweihe 1988

Der Gründer Lefebvre, der eine steile kirchliche Karriere als Vatikandiplomat und Bischof in Afrika gemacht hatte, hatte als Generalsuperior der Spiritaner selbst am Konzil teilgenommen. Aus Protest gegen den Kurs der Kirche trat er 1968 als Ordensoberer zurück. Er gründete in der Schweiz die Piusbruderschaft, die am 1. November 1970 zunächst kirchlich anerkannt wurde. Im gleichen Jahr führte die katholische Kirche den neuen Messritus verbindlich ein.



Als aber in den Folgejahren der antikonziliare Charakter offen zu Tage trat, entzog Papst Paul VI. der Bruderschaft im Mai 1975 die kirchenrechtliche Legitimation und im Jahr darauf Lefebvre seine Weiheerlaubnis. Doch der suspendierte Erzbischof hielt sich nicht daran und weihte weiter Priester.



Die Aufsehen erregende Bischofsweihe von 1988 lag in der Logik des Überlebens der Priesterbewegung: ohne Bischof keine weiteren Priesterweihen. Der 83-Jährige sorgte vor für die Zeit nach seinem Tod, der ihn weniger als drei Jahre später ereilte. Noch kurz vor dem entscheidenden Schritt war Lefebvre zum Einlenken bereit gewesen. Er unterzeichnete eine vorläufige Übereinkunft mit Kurienkardinal Joseph Ratzinger, die er dann jedoch zurückzog.



Unrechtmäßig - aber gültig

Die Weihen Lefebvres, so besagt es das Kirchenrecht, sind unrechtmäßig - aber gültig. Sie zogen die "Tatstrafe der Exkommunikation" und den Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft nach sich, ausgesprochen durch Johannes Paul II. am 2. Juli 1988. Immer wieder sind die Päpste den Traditionalisten weit entgegengekommen, haben ihnen goldene Brücken gebaut. Nimmt man den unseligen Aspekt der Holocaust-Leugnung durch Traditionalisten-Bischof Richard Williamson aus, so reiht sich die Versöhnungsgeste Benedikt XVI., die Aufhebung der Exkommunikation, gut in die Geschichte der Auseinandersetzung ein.



Ohnehin sind die Grenzen zwischen der "offiziellen" Kirche und der Gemeinschaft Lefebvres, die mittlerweile ihr Generalhaus und damit ihren Sitz im schweizerischen Menzingen hat, in vielen Fragen fließend - vor allem an der Basis. Nur wenige der geschätzten rund 600.000 Anhänger sind formell aus der Kirche ausgetreten. Seit Ende 2009 laufen nichtöffentliche Gespräche im Vatikan mit der Bruderschaft über strittige Lehrfragen. Ob der Wille der Piusbrüder zu Versöhnung und Kompromiss groß genug ist? Ihre öffentlichen Äußerungen zumindest lassen Zweifel aufkommen.