Vor 40 Jahren bekam Joseph Ratzinger Kardinalspurpur

Der letzte Senator Pauls VI.

Selbst damals dürfte noch kaum jemandem klar gewesen sein, welche Weltkarriere noch auf ihn wartete. Vor 40 Jahren bekam Joseph Ratzinger als Münchner Erzbischof das Kardinalsbirett. Später wurde dann aus Purpur Weiß.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Joseph Ratzinger im Jahr 1977 / © N.N. (KNA)
Joseph Ratzinger im Jahr 1977 / © N.N. ( KNA )

Natürlich: Jeder Papst prägt durch seine Ernennungen zwangsläufig die je künftige Gestalt der katholischen Weltkirche. Wie sehr, das wird allerdings oft erst in der historischen Rückschau deutlich. Paul VI. (1963-1978) ernannte in sechs Konsistorien insgesamt 144 Kardinäle.

Darunter waren seine drei unmittelbaren Nachfolger: Johannes Paul I. (Albino Luciani, 1978), Johannes Paul II. (Karol Wojtyla, 1978-2005) und Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger, 2005-2013) - und eine ganze Reihe von Bischöfen und Theologen, die die Kirchengeschichte ihrer Zeit schrieben.

Schnelle Kardinalsernennung

Dass Paul VI. den erst frisch vom Regensburger Vorlesungspult zum Erzbischof von München und Freising beförderten Ratzinger schon nach drei Monaten zum Kardinal machte, war ein deutliches Zeichen: Der Papst des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) schätzte den romtreuen Konzilstheologen außerordentlich. Wohl auch, weil er dem postkonziliaren Richtungsstreit innerhalb der Kirche und der Aggression der 68er-Bewegung ebenso wenig abgewinnen konnte wie der Papst selbst.

Mit Ratzinger zusammen erhielt in dem kleinen Konsistorium vom Sommer 1977 auch Bernardin Gantin (1922-2008) aus dem westafrikanischen Benin das Kardinalsbirett, später Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden und Dekan des Kardinalskollegiums.

Insgesamt setzte Paul VI. die von Johannes XXIII. (1958-1963) eingeschlagene Linie der Internationalisierung des päpstlichen Senats fort.

Who ist Who der deutschen Kirche

Seine Kardinalsernennungen lesen sich wie ein Who ist Who der kirchlichen 70er und 80er Jahre. Aus den beiden Deutschlands erhielten von Paul VI. fünf Bischöfe den Purpur: Erzbischof Lorenz Jaeger von Paderborn (1965); Bischof Alfred Bengsch von Berlin (1967); der Kölner Erzbischof Joseph Höffner (1969); der Mainzer Bischof Hermann Volk (1973) und eben Ratzinger (1977) - der heute der letzte lebende der Kardinäle aus dem Montini-Pontifikat ist.

Auch drei prägende, sozial engagierte Bischöfe aus Brasilien wurden nach dem Konzil befördert: Eugenio de Araujo Sales (1920-2012), damals Erzbischof von Sao Salvador da Bahia (1969); Erzbischof Paulo Evaristo Arns (1921-2016) von Sao Paulo (1973) und Erzbischof Aloisio Lorscheider (1924-2007) von Fortaleza (1976). Alle drei spielten später zentrale Rollen in den Auseinandersetzungen um die Befreiungstheologie.

Ihm wichtige Theologen nahm Paul VI. in seinen Senat auf; außer Joseph Ratzinger etwa Joseph Cardijn, belgischer Priester und Begründer der internationalen Christlichen Arbeiterjugend. Schon kurz nach seiner Ernennung eröffnete Cardijn in der Konzilsaula die Diskussion über die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes. Das zentrale Konzilsdokument folgt der für die CAJ maßgeblichen Methode des Dreischritts "sehen - urteilen - handeln".

1969, vier Jahre nach dem Konzil, kamen zwei weitere westeuropäische Konzilstheologen zu Kirchenehren: der niederländische Präsident des Ökumene-Sekretariats, Johannes Willebrands (1909-2006), und der französische Jesuit Jean Danielou (1905-1974), ein Vorkämpfer der "Nouvelle Theologie".

Augenmerk auf den Ostblock

Ein besonderes Augenmerk hatte Paul VI. auf den sogenannten Ostblock. Mit seiner "Vatikanischen Ostpolitik" suchte er durch Verhandlungen mit den kommunistischen Regimen gangbare Wege, das Überleben der Kirche jenseits des Eisernen Vorhangs zu ermöglichen. Noch während des Konzils ehrte er die Bekenner-Erzbischöfe von Lemberg (Ukraine) und Prag (Tschechoslowakei), Patriarch Josyf Slipyj und Josef Beran, mit dem Kardinalstitel und gab ihnen Quasi-Asyl in Rom.

Wenige Jahre später folgte aber auch ein sehr agiler Kardinal der "jungen Riege", ein gewisser Karol Wojtyla, Erzbischof von Krakau und erst 47 Jahre alt. Und 1973 der erste polnische Erzbischof von Breslau, Boleslaw Kominek, Verfasser des berühmten Hirtenbriefes der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder von 1965, in dem es hieß: "Wir vergeben und erbitten Vergebung."

Dem einen wurde Nähe zur Kommunistischen Partei vorgeworfen - Laszlo Lekai (1910-1986), Erzbischof von Esztergom-Budapest. Den anderen ernannte Paul VI. nur im Geheimen (in pectore): Frantisek Tomasek (1899-1992), Apostolischer Administrator und später Prager Erzbischof. Und der nächste war gar ein politischer Kämpfer - was der feinsinnige Theologe Ratzinger nie war: Jaime Sin (1928-2005), Erzbischof von Manila, führte 1986 jene friedliche "Rosenkranzrevolution" an, die den philippinischen Diktator Ferdinand Marcos stürzte.


Quelle:
KNA