Vor 40 Jahren begann die Würzburger Synode - und dauerte fünf Jahre

Streiten ohne zerstreiten

Es war eine Zeit, da flogen in der katholischen Kirche in Deutschland die Fetzen. Unter stürmischen Vorzeichen traten am 3. Januar 1971 die 300 Delegierten der Würzburger Synode erstmals zusammen: Abgesandte aus allen westdeutschen Bistümern erörterten im Kiliansdom vor dem ausgesetzten Allerheiligsten den Weg der Kirche in die Zukunft - Bischöfe und Laien, Ordensleute, Professoren und Studentinnen. Die Versammlung war ein historisches Ereignis.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

Zur Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) hatten sich die deutschen Bischöfe auf ein neues Verfahren eingelassen, das stark von parlamentarischen Gepflogenheiten geprägt war. Wollten sie eine Abstimmung verhindern, mussten sie vorher ein Veto einlegen. Möglich gemacht hatte dies Papst Paul VI. Er genehmigte die Geschäftsordnung der Synode entgegen dem damals geltenden Kirchenrecht. Der Wind des Wandels wehte durch die Kirche. In die allgemeine Aufbruchstimmung mischten sich unter dem Eindruck der 68er auch revolutionäre Töne.



In der Studentenschaft gab es Aktionskreise, die sich "Katholische Gesellschaft für Demokratie und Kirche" nannten oder "Kritischer Katholizismus", Vorläufer der "Kirche von unten" und der Kirchenvolksbewegung. Die 1968 erschienene Enzyklika "Humanae Vitae" wurde heftig diskutiert. Der Papst hatte sich darin unter anderem für ein striktes Verbot der Empfängnisverhütung entschieden - gegen die vom damaligen Münchner Kardinal Julius Döpfner angeführte Mehrheit seiner Berater. Die deutschen Bischöfe reagierten mit der "Königsteiner Erklärung", die den Vorrang des Gewissens der Eltern bei der Familienplanung betont.



Auseinanderdriften verhindert

In dieser aufgeheizten Situation gelang es der Synode, trotz der bisweilen harten Gegensätze ein Auseinanderdriften der Kirche in Deutschland zu verhindern. "Wir wurden zu einem Prozess gezwungen, dem wir einen neuen Stil des Miteinander-Redens und Miteinander-Umgehens zwischen Bischöfen, Priestern und Laien verdanken, und den möchten wir nicht mehr missen", resümierte Döpfner, damaliger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.  "Wir haben gelernt, miteinander zu streiten, ohne uns zu zerstreiten."



Der Münchner Jurist Walter Bayerlein, heute 75 und einer der engagiertesten Debattenredner damals, bedauert heute, dass es diese Gesprächskultur nach seiner Wahrnehmung so nicht mehr gibt. Zugleich setzt er gewisse Hoffnungen in den von der Deutschen Bischofskonferenz angestoßenen Dialogprozess. Wenn daraus allerdings etwas werden sollte, dann müsse es wieder ein Gespräch auf Augenhöhe sein wie damals in Würzburg - mit verbindlichen gemeinsamen Entscheidungen.



Der Sitzungsmarathon der Synode zog sich über fünf Jahre hin. Herauskamen 18 Beschlüsse und 6 Arbeitspapiere zu fast allen Bereichen kirchlichen Lebens. Sie veränderten nachhaltig den Religionsunterricht und die kirchliche Jugendarbeit. Neue Seelsorgeberufe wie der des Pastoralreferenten entstanden. Die Gestalt des spezifisch deutschen Systems der Katholikenräte wurde festgelegt.



Neuauflage will kaum einer mehr

Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken vereinbarten eine enge Zusammenarbeit. Die Mitverantwortung aller Getauften für die Kirche wurde betont. Die Pfarrgemeinden sollten ihr Versorgungsdenken aufgeben und ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Manche Themen der Synode wie die Stellung der Frau in der Kirche oder der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen brennen bis heute vielen Christen unter den Nägeln. Manches verschwand in der Schublade.



Für eine Neuauflage der Synode plädieren heute nur noch wenige. Selbst Befürworter, die noch in Würzburg dabei waren, wollen nicht mehr so viele Themen auf einmal und so viel Papier produzieren. Auch hat das Kirchengesetzbuch von 1983 den Rechtsrahmen so verändert, dass die Würzburger Spielregeln nicht mehr anwendbar sind - es sei denn, der Papst machte erneut eine Ausnahme.