Vor 300 Jahren starb der Barockkünstler Andrea Pozzo

Das künstlerische Vorbild der Gebrüder Asam

In Bayern ist Andrea Pozzo nie gewesen. Und doch wäre ohne den gebürtigen Tridentiner manche der berühmten Barockkirchen nie so entstanden wie sie noch heute von Gläubigen und Kunstfreunden geschätzt werden.

Autor/in:
Anselm Verbeek
 (DR)

Denn der Maler und Architekt war mit seinen Arbeiten stilbildend. Auch die Asam-Brüder ließen sich von ihm inspirieren. Am Montag jährt es sich zum 300. Mal, dass Pozzo, Laienbruder des Jesuitenordens, in Wien starb. Dorthin hatte ihn 1703 Kaiser Leopold I. geholt. Pozzo bekam den Auftrag, die Jesuitenkirche umzugestalten. Er fügte zwei Türme hinzu und verpasste der Fassade eine neue Gestalt. Vor allem aber richtete der Künstler das Innere opulent ein. Über den acht Seitenkapellen entstanden Emporen, die miteinander verbunden sind und von geschwungenen Säulen aus Stuckmarmor getragen werden. Dazu gestaltete er die Fresken neu und verpasste dem Gotteshaus eine Scheinkuppel.

Genau dieser Stil hatte Pozzo zuvor über Italien hinaus bekannt gemacht. Denn schon Jahre zuvor war er in der römischen Jesuitenkirche San Ignazio tätig gewesen und hatte auf die Decke einen scheinbar riesigen Himmel gezaubert. Im Mittelpunkt eines Engelreigens findet sich die Heilige Dreifaltigkeit: Gottvater sendet aus den Höhen herab einen Lichtstrahl zu Ignatius, dem Gründer des Jesuitenordens und Quelle des Lichts, das über die Menschen der damals vier bekannten Erdteile flutet. Eine raumtrügerische und sinnestäuschende Malerei war Pozzo gelungen, die er nach der Maxime schuf, zum frommen Zweck «die Augen zu betrügen».

Perfekte Inszenierung
Ihm ging es um die perfekte Inszenierung einer Raumillusion, in der reale und gemalte Architektur, die sichtbare Kirche und ihre unsichtbare Erfüllung zu einer Einheit verschmelzen. Ersten Ruhm hatte Pozzo als Bühnenbildner geerntet, als gefeierter Dekorationskünstler der «Theatra sancta» während der großen christlichen Festtage in Mailand und Rom. Seine vielseitige Kunst stellte der Jesuit ganz in den Dienst des Ordens. Um Gefühle anzusprechen und auch Analphabeten die Heilige Schrift nahe zu bringen, setzte er die Heilsgeschichte mit künstlerischen und theatralisch-dynamischen Mitteln um.

Die großartige Raumvorstellung in San Ignazio in Rom wurde Modell für Europa. Aber das dortige Deckengemälde erschließt sich dem Betrachter in seinem streng perspektivischen Aufbau nur, wenn er in der Mitte des Kirchenschiffs auf einer Marmorplatte seinen Standort bezieht. Ansonsten beginnen die hochragenden Säulen zu kippen, der Himmel droht zu stürzen, die Raumillusion zerbricht. Die zugrunde liegenden Gesetze der Perspektive hat Pozzo in einem zweibändigen Werk beschrieben, das sogar ins Chinesische übersetzt wurde.

Vorbild der Scheinarchitektur
Erst mit seinem Standardwerk zur Perspektive hielt die für den Spätbarock so typische illusionistische Malerei in Deutschland Einzug. Vor allem in ehemaligen Jesuitenkirchen wie in Passau oder Bamberg. Cosmas Damian Asam, der mit seinem Bruder Egid Quirin Lehrjahre in Rom verbracht hatte, schuf rund 20 Scheinkuppeln, wobei er das Vorbild frei fortentwickelte. Die Scheinarchitektur über dem Chor von Kloster Weingarten etwa variiert noch das Pozzo'sche Modell einer gemalten Kuppel in Schrägsicht: Maria und die Apostel sitzen unter der goldenen Wölbung eines «runden Saals», während sich über ihnen in Gestalt einer Taube engelsumschwebt der Geist Gottes herabsenkt.

Kurz darauf hatte Asam wieder eine Herabkunft des Heiligen Geistes in der Klosterkirche Aldersbach zu malen. Aber hier wählte er einen Illusionsraum, der den einheitlichen Maßstab aufgibt. Die vorgespiegelt gemalte Riesenkuppel scheint den Stuckrahmen zu sprengen. Der Künstler bemühte sich hier nicht mehr um eine vorgetäuschte Einheit von realer und gemalter Architektur, von Pozzos Modell hatte er sich 1720 emanzipiert. Der italienische Künstler war da bereits elf Jahre tot, gestorben an der Roten Ruhr. In der Kirche des Professhauses der Jesuiten in Wien hatten ihn die Mitbrüder aufgebahrt und anschließend auch dort beigesetzt.