Vor 30 Jahren entzog die Kirche Hans Küng die Lehrbefugnis

Der theologische Streit um Wahrheit

Weit mehr als zehn Jahre dauerte die Vorgeschichte. Doch der Höhepunkt der Eskalation überraschte Hans Küng kalt. Am 18. Dezember 1979 entzog ihm der damalige Rottenburg-Stuttgarter Bischof Georg Moser, vom Vatikan gedrängt, die kirchliche Lehrbefugnis.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Der in Tübingen lehrende Schweizer Theologe, damals 51 Jahre alt, erfuhr die Nachricht beim Skifahren in Lech am Arlberg. Eine "heimtückische Überrumpelung", eine "Nacht- und Nebelaktion", schreibt er im zweiten Teil seiner Erinnerungen, "Umstrittene Wahrheit". Über Hunderte von Seiten schildert er zuvor den Streit mit Rom um theologische Äußerungen. Und doch, der Spruch aus dem Rottenburger Bischofshaus habe ihn "aus heiterem Himmel" getroffen. Rom habe sich an seine eigenen Gesetze nicht gehalten.

Der 1954 zum Priester geweihte Schweizer, der beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) als einer der jüngsten Berater mitmischte, war kritischen Beobachtern schon viel früher aufgefallen. Seit 1957 wuchs im Vatikan ein Dossier über ihn heran.

Diese Sammlung begann gleich nach Erscheinen seines Buchs "Rechtfertigung" 1957, eines heute weithin hoch geschätzten Werks.
Es folgten Beiträge des Dogmatikers über die Kirche und Vorbehalte zur Unfehlbarkeit des Papstes. Offiziell zum Auslöser für das römische Vorgehen wurde das Buch "Die Kirche" von 1967, dessen Übersetzung in andere Sprachen Rom verbot - und die doch erfolgte. Schließlich gab es noch den Vorwurf, Küng habe die Glaubenswahrheit über die Göttlichkeit Jesu Christi verkürzt.

Küng sprach weiter - und wurde gehört
Der "Fall Küng" erschütterte die Kirche. Rom verbot dem Schweizer zu lehren, aber Küng sprach weiter - und wurde gehört. Als Novum in der deutschen Universitäts-Geschichte gliederte die Tübinger Universität seinen Lehrstuhl zu einem fakultätsunabhängigen Lehrstuhl für Ökumene aus. Heute ist Küng Erfolgsautor mit Millionenauflage. Und nicht zuletzt wegen der von ihm begründeten "Stiftung Weltethos" ist der nun 81-Jährige weltweit Gesprächspartner für Politiker und Wirtschaftsführer. Gerade war er in Australien, auch dort trafen ihn Bischöfe zum Gespräch.

Sein Ringen um ein "Weltethos" trifft einen Nerv der Zeit, vor einigen Wochen legte er ein "Manifest für ein Globales Wirtschaftsethos" vor. Die Medien fragen heute Küng nach wie vor zu vielen Themen. Der Theologe ist eine Autorität für viele, gerade in Wertefragen. Nur die Streitthemen von damals, die Frage der Unfehlbarkeit oder der Christologie, kommen selten noch zur Sprache.

Treffen mit Papst
Auch nicht an einem Samstag im September 2005. Da empfing Papst Benedikt XVI. - als angehender Theologe Joseph Ratzinger, dann Theologieprofessor, Erzbischof und Kardinal mit Küng seit vielen Jahrzehnten bekannt - in Castelgandolfo den prominentesten Kritiker des römischen Kurses. Es war eine der Sensationen in der Frühzeit des Pontifikats. "Ich bin Papst Benedikt XVI. sehr dankbar, dass er nach einer Periode totaler Entfremdung mich zu diesem vierstündigen Gespräch empfangen hat", sagt Küng rückblickend. Dieser "kühnen Tat" (Küng) sind keine weiteren Schritte gefolgt - sieht man von einem sporadischen Briefwechsel ab, über den beide Stillschweigen wahren. Später folgten dann beinharte Äußerungen Küngs über den Kurs des Papstes in der Traditionalistenfrage. Wie sich die Beziehungen seither entwickeln, wissen nur die beiden Betroffenen selbst.

Über den Entzug der Lehrbefugnis sprachen der Papst und der Tübinger Theologe damals in Castelgandolfo nicht. Dabei werden schon seit mehr als zehn Jahren die Rufe nach einer Klärung lauter, auch Appelle an Küng zu Klarstellungen. Er selbst wolle nicht um die Rücknahme der "Maßnahme" bitten und mache sich da keine Illusionen, sagt er. Und: "Ich bin loyaler katholischer Theologe." Er ist seit über 55 Jahren Priester.

Die Skier nimmt Küng nicht mehr zur Hand. Vor dem 80. Geburtstag ging er ganz bewusst zum letzten Mal auf die Piste. Aber theologisch bleibt er aktiv. Vielleicht ist es weiter auch ein Warten. Irgendwann will er den letzten, dritten Band der "Erinnerungen" vorlegen. Es ist, schreibt er zum Abschluss des zweiten Teils 2007, "in die Hände eines Anderen gelegt", wie viel Zeit er dafür hat.