Vor 200 Jahren wurde der "Kleine Michel" in Hamburg katholisch

Napoleon sei Dank

Vor 200 Jahren bekamen Hamburgs Katholiken erstmals eine eigene Kirche. Der "Kleine Michel" war ursprünglich eine evangelische Notkirche und wurde am 3. Februar 1811 zur katholischen St. Ansgar-Kirche geweiht. Drei Wochen später konnten die rund 6.000 Katholiken hier ihre erste öffentliche Messe seit der Reformation feiern. Gewänder, Leuchter und Monstranz stammten aus dem Kölner Dom.

 (DR)

Dass Hamburgs Katholiken eine eigene Kirche bekamen, verdankten sie dem französischen Kaiser Napoleon. Zum Jahresanfang 1811 verfügte er, dass das von Franzosen besetzte Hamburg offiziell Teil des Kaiserreiches sei. Napoleon propagierte die Trennung von Staat und Kirche, hob die Vormachtstellung der Lutheraner auf und sicherte den Katholiken Religionsfreiheit zu. Im benachbarten Altona, das damals zum Königreich Dänemark gehörte, hatte die katholische Gemeinde bereits 150 Jahre früher eine Kapelle auf der "Großen Freiheit" bauen dürfen.



Der "Kleine Michel" hatte schon damals eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Im Jahre 1605 wurde in der Neustadt, die damals noch außerhalb der Stadtmauern lag, eine Kapelle für den Pestfriedhof gebaut und dem Erzengel Michael geweiht. Weil die Neustadt schnell wuchs, baute die Gemeinde 50 Jahre später nebenan eine zweite, größere Michaeliskirche. Diese wurde 1661 geweiht, so dass die evangelische Hauptkirche St. Michaelis im März ihr 350-jähriges Bestehen feiern kann.



Der "Kleine Michel" verfiel zusehends und wurde abgerissen. Als jedoch am 10. März 1750 der "Große Michel" nach einem Blitzschlag niederbrannte, wurde Ersatz gesucht. Dank einer privaten Spende wurde der "Kleine Michel" wieder aufgebaut und diente fünf Jahre lang als Notkirche.



Im Zuge seiner Eroberungen besetzte Napoleon 1806 auch Hamburg. Zum 1. Januar 1811 wurde das französische Departement "Bouches de l"Elbe" (dt.: Elbmündungen) gegründet, zu dem neben Hamburg auch Lübeck und das nördliche Niedersachsen zählten. Städte wie Altona oder Wandsbek waren jedoch dänisch, so dass die Grenze zwischen Frankreich und Dänemark damals etwa dort verlief, wo heute der FC St. Pauli um Punkte für die Bundesliga kämpft.



Wirtschaftlich ein Desaster

Wirtschaftlich war die Besetzung für Hamburg ein Desaster. Die Kontinentalsperre hatte den Handel zum Erliegen gebracht. Für ein freies Schussfeld ließen die Franzosen 1813 zahlreiche Nachbardörfer zerstören und vertrieben zu Weihnachten mehrere tausend arme Hamburger. Hamburgs Kirchen wurden als Pferdeställe genutzt, nur der Große und der Kleine Michel blieben davon verschont.



Doch die von Napoleon propagierte Religionsfreiheit blieb auch erhalten, als die Franzosen 1814 wieder abzogen. Zehn Jahre später kaufte der Senat die Kirche den Protestanten sogar ab und überließ sie den Katholiken zu einem günstigen Preis.



Die Freundschaft zu Frankreich zählt bis heute zu den Säulen der Gemeindearbeit. In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs wurde St. Ansgar zerstört und französische Christen waren maßgeblich daran beteiligt, die Kirche Anfang der 50er Jahre wieder aufzubauen.

Regelmäßig werden hier Messen in französischer Sprache gefeiert und Gäste aus Frankreich eingeladen. Auch der Namenspatron hatte eine enge Bindung zu Frankreich: Hamburgs erster Erzbischof Ansgar (801-865) wuchs im nordfranzösischen Corbie auf.



Ihre Jubiläumswoche begeht die Ansgar-Gemeinde vom 17. bis 27. März.