Vor 20 Jahren erhielt Russland wieder eine katholische Kirchenhierarchie

Frühlingserwachen nach dem Winterschlaf

Heute vor 20 Jahren, noch unter dem sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow, belebte Papst Johannes Paul II. die kirchlichen Strukturen in Russland neu. Nach mehr als 70 Jahren Verfolgung durch die Kommunisten schuf er zwei bistumsähnliche Kirchengebiete, sogenannte Apostolische Administraturen.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

War es ein Zeichen Gottes, dass am 13. April 1991 in Moskau die Sonne schien? "Ich erinnere mich sehr gut, dass es ein schöner sonniger Frühjahrstag war. Die Natur wachte aus dem Winterschlaf auf", erzählte Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz am Sonntag bei einer Predigt in Minsk. Damals wurde er zum Oberhirten für den europäischen Teil Russlands ernannt.



Es war ein Meilenstein in der Geschichte der katholischen Kirche Russlands sowie Kasachstans und Weißrusslands. Erstmals seit der Kirchenverfolgung unter dem sowjetischen Diktator Josef Stalin erhielt dieser Teil der Erde wieder eine katholische Kirchenhierarchie. 1990 gab es in ganz Russland nur eine Handvoll katholischer Geistlicher. Die meisten ihrer Kollegen ließ das sowjetische Regime umbringen oder verschleppen. Die Verfolgung begann mit dem kommunistischen Umsturz im Oktober 1917. Nur wenige Geistliche konnten die Seelsorge im Untergrund fortsetzen.



Hilfe aus dem Ausland

Fast aus dem Nichts mussten deshalb Kondrusiewicz und der für Sibirien zuständige Bischof Joseph Werth, ein in Kasachstan gebürtiger deutschstämmiger Geistlicher, die katholische Kirche wieder aufbauen. Zwangsläufig setzten sie dabei auf ausländische Pfarrer. An eigenen Priestern mangelt es Russland noch heute. Die Zahl der Geistlichen mit russischem Pass steigt nur langsam. Rund 80 Prozent der heute rund 300 Priester stammen aus dem Ausland, ebenso die übergroße Mehrheit der knapp 400 Ordensschwester. Und das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben. Lediglich rund ein Dutzend junger Männer bereiten sich gegenwärtig im 1993 eröffneten Seminar in St. Petersburg - dem einzigen im Land - auf den Priesterberuf vor.



Da kommt es gelegen, dass die anfänglichen großen Visa-Probleme für katholische Priester inzwischen behoben scheinen. Besonders restriktiv waren die russischen Behörden, als 2002 aus den zwei Adminstraturen vier Bistümer wurden. Selbst der in der Sowjetunion geborene Bischof für Ostsibirien, Kyrill Klimovicz, musste eine Zeit lang alle sechs Monate für zwei Tage in die Mongolei ausreisen. Inzwischen besitzt der Weißrusse eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die zuletzt ohne Probleme verlängert wurde.



Nur ein halbes Prozent katholisch

Von den 142 Millionen Russen sind nach kirchenoffiziellen Angaben knapp 800.000 römisch-katholisch - gerade mal ein gutes halbes Prozent. Im asiatischen Teil Russlands (Sibirien) ist der katholische Bevölkerungsanteil deutlich höher als im europäischen Teil. Und die Zahl der Katholiken wäre weit größer, hätten nicht viele deutschstämmige Katholiken seit der Öffnung der Grenzen Russland verlassen.



Die Erfolge des Wiederaufbaus sind dennoch schon gut sichtbar. Durch die Straßen der Moskauer Innenstadt gab es vor einem Jahr erstmals eine katholische Kreuzwegprozession. Rund 2.000 Menschen nahmen teil. Vielerorts wurden neue katholische Gotteshäuser errichtet.



Durch ein neues Restitutionsgesetz stiegen zu Jahresbeginn auch die Chancen auf Rückgabe einst beschlagnahmter katholischer Kirchengebäude. Noch heute werden viele von ihnen als Theater oder Kino genutzt. "Das ist ein Bürokratiekrieg", berichtet der Bischof für Südwestrussland, Clemens Pickel, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Denn wer gebe schon gern ein Kino oder eine Konzerthalle aus der Hand. Als einzige von drei ehemaligen Kirchen möchte er in seinem Bistum das Gotteshaus in Taganrog am Asowschen Meer zurück. Dort befindet sich seit sowjetischer Zeit eine Kinderbibliothek. "Trotz juristischen Beistands bekamen wir von der Stadt eine Absage", so Pickel. Aber: "Ich hoffe, dass das nicht das letzte Wort ist."