Vor 150 Jahren machte ein Gesetz Washingtons Sklaven frei - und den Weg für ihre landesweite Befreiung

Free at last

Vor 150 Jahren unterschrieb Präsident Abraham Lincoln den "DC Emancipation Act". Mit diesem Gesetz wurden die rund 3.100 Sklaven auf dem Territorium Washingtons quasi über Nacht frei – eine Vorbote der berühmten Emanzipationsproklamation wenige Monate später.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Zwar kennen die Amerikaner keinen Ostermontag und keinen Pfingstmontag; dafür erfreute sich Washington am kommenden Wochenanfang eines eigenen Feiertages. Die Postämter und Schulen sind dann geschlossen; bereits in den Tagen zuvor wartete ein umfangreiches Festprogramm. Die US-Hauptstadt, deren Bevölkerungsmehrheit schwarz ist, die einen afroamerikanischen Bürgermeister und eine schwarze Kongressabgeordnete hat, feiert ein Jubiläum der Menschen- und Bürgerrechte: Am 16.  April 1862, unterschrieb Präsident Abraham Lincoln den "DC Emancipation Act". Mit diesem Gesetz wurden die rund 3.100 Sklaven auf dem Territorium Washingtons - das keinem Bundesstaat angehört und als "District of Columbia" einen verfassungsrechtlichen Sonderstatus einnimmt - quasi über Nacht frei.



Es waren die Zeitumstände, die diesen Schritt erforderten - und gleichzeitig möglich machten. Seit einem Jahr tobte der Amerikanische Bürgerkrieg, und Washington war Frontstadt. Nur wenige Kilometer entfernt lag mit Virginia einer der Südstaaten, die auch für den Erhalt der Sklaverei kämpften. Schließlich basierten darauf weite Teile ihrer Wirtschaft. Lincoln (1809-1865), einem Gegner der Sklaverei, war bewusst, dass deren Existenz im Umfeld einer Regierung, die vorgeblich für eine freiheitliche Staatsform kämpfte, ein Unding war.



Worauf man in Washington im Rückblick besonders stolz ist: Die Sklavenbefreiung vom April 1862 war Vorbotin eines umfassenderen Ereignisses, das heute jedes amerikanische Schulkind kennen muss: die berühmte Emanzipationsproklamation Lincolns. Mit ihr wurde die Sklaverei am 1. Januar 1863 zunächst in den abgefallenen Staaten des Südens verboten. Zu Beginn des Jahres 1865 schließlich, als sich der Bürgerkrieg seinem Ende entgegenging, wurde sie vom Kongress landesweit abgeschafft.



Bogen von der Befreiung

Die Sklaverei war eine Geburtssünde Amerikas, das 1776 eigentlich auf den von Thomas Jefferson formulierten Menschenrechtsidealen gegründet worden war - und doch das grundlegende Menschenrecht der Freiheit und Selbstbestimmung der Mehrheit der Schwarzen so lange vorenthielt. Höhepunkte der sich über mehrere Tage erstreckenden Feiern in der Stadt sind Paraden und Ausstellungen, Podiumsdiskussionen und Gottesdienste. Eine religionsübergreifende Organisation, die Interfaith Conference of Metropolitan Washington, der christliche, jüdische, islamische, buddhistische und andere Gruppierungen angehören, gehört zu den tragenden Säulen der Festivitäten.



Redner aus der Bürgerrechtsbewegung werden den Bogen von der Befreiung 1862 bis zum Kampf der 1950er und 1960er Jahre spannen. Entsprechend symbolträchtig findet eine Kundgebung am neuen Denkmal für Martin Luther King statt, bei der auch der inzwischen vom Aktivisten zum CNN-Nachrichtenkommentator gewandelte Reverend Al Sharpton sprechen soll. Das Originaldokument mit der Unterschrift Lincolns können Besucher der US-Hauptstadt noch bis 9. September im Besucherzentrum des Kapitols sehen. Und die Bürger Washingtons freuen sich dank des Feiertages noch über eine weitere Vergünstigung: Für sie wird erst am 17. April "tax day" sein. Sie haben somit einen Tag mehr Zeit zur Abgabe ihrer Steuererklärung als ihre Mitbürger in den 50 Bundesstaaten.