Vor 125 Jahren wurde der Schriftsteller Lion Feuchtwanger geboren

Suche nach jüdischer Identität

Ausgerechnet den populärsten Roman Lion Feuchtwangers nutzten die Nazis für einen der übelsten antisemitischen Propaganda-Filme der Geschichte. "Jud Süß" wurde in über 20 Sprachen übersetzt und mehr als vier Millionen Mal verkauft. Bis heute liest sich das Werk des Schriftstellers, der früh nach Hitlers Machtergreifung in die USA auswanderte, nicht ohne Beklommenheit.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Der Schriftsteller und Dramatiker, am Dienstag vor 125 Jahren, am 7.
Juli 1884 in München als Sohn eines orthodoxen jüdischen Fabrikanten geboren, war ein Erneuerer des historischen Romans in Deutschland.
Geschichte betrachtete er als Prozess, aus dem der Leser Lehren für die Gegenwart ziehen kann. Persönlichkeiten und Ereignisse der Vergangenheit wurden ihm zum Stoff, um für Aufklärung und Vernunft zu werben. "Wir wollen aus der Vergangenheit das Feuer übernehmen, nicht die Asche", hat er sein Arbeitsprinzip formuliert. Seine eigenen Erfahrungen als Jude, die Verfolgung durch die Nazis und der Gang ins Exil flossen in die Werke ein.

Feuchtwanger war einer der ersten, der sich während des Ersten Weltkrieges in Theaterstücken und -kritiken gegen den überschwänglichen Nationalismus der Deutschen wandte. Sein kurzer Militärdienst endete wegen Kurzsichtigkeit. 1918 erlebte er in München die Revolution. 1920 begegnete er dort Bertolt Brecht, mit dem er freundschaftlich zusammenarbeitete.

Auch Feuchtwangers Bücher wurden verbrannt
Sein Roman "Erfolg" (1930) erzählt nicht nur vom Emporkommen der Nazis in Bayern, sondern liefert auch die psychologische Deutung einer dumpfen Bürgerlichkeit und analysiert die enge Verzahnung zwischen Politik, Justiz und Großindustrie. Kein Wunder, dass Feuchtwangers Bücher verbrannt wurden, als die Nazis 1933 an die Macht kamen. Der Romancier, inzwischen nach Berlin übergesiedelt, wurde ausgebürgert, sein Haus geplündert.

Von einer Vortragsreise in den USA kehrte der Schriftsteller deshalb nicht nach Hause zurück, sondern ging ins südfranzösische Sanary-sur-Mer und 1937 zwischenzeitlich nach Moskau, wo er die Exilzeitschrift "Das Wort" mit herausgab. Dass er Stalin und die Sowjetunion verklärte, gehört zu den dunklen Flecken der Biografie. Von 1939 bis 1940 wurde Feuchtwanger in einem Lager im französischen Aix-en-Provence interniert. Durch Fürsprache der US-Präsidentengattin Eleanor Roosevelt kam er frei und setzte sich in die USA ab.

Leben in Unsicherheit und Angst
Das Leben in Unsicherheit und Angst verarbeitete Feuchtwanger unter anderem in den Romanwerken "Die Geschwister Oppermann" (1933) und "Exil" (1940), die er später mit "Erfolg" zur Trilogie "Der Wartesaal" zusammenfasste.

Immer wieder kreiste sein Denken um die Frage, wie Juden in einer nichtjüdischen und sogar feindlichen Umgebung leben konnten: Anpassung oder Festhalten an jüdischer Identität? In den zur Josephus-Trilogie gehörenden Werken "Der jüdischen Krieg" (1932), "Die Söhne" (1935), und "Der Tag wird kommen" (1945) geht es um den antiken Schriftsteller Flavius Josephus (37 bis 100 n. Chr.), der sich als Weltbürger sieht und mit brennendem Ehrgeiz versucht, das Römische und das Jüdische in sich zu vereinen. Doch die Gegensätze drohen ihn zu zerreißen. Josephus verlässt das umworbene Rom und kehrt zurück zu seinen Ursprüngen.

In den USA eckt er politisch an
Feuchtwanger selber kehrte nicht wieder nach Deutschland zurück, eckte aber auch in den USA politisch an. Im Zuge der Verfolgung von Sozialisten und Kommunisten unter Senator Joseph McCarthy wurde er des Kommunismus verdächtigt; die US-Staatsbürgerschaft wurde ihm verweigert. Diese Situation gab den Anstoß zu dem Theaterstück "Wahn oder Der Teufel in Boston" über die Hexenverfolgung in Massachusetts..

Feuchtwanger, der 1958 in Los Angeles starb, war einer der wenigen deutschen Schriftsteller, die auch im Exil ihre Leserschaft fanden.
Seine Romane "Die Brüder Lautensack" (1944), "Die Jüdin von Toledo" (1955), vor allem aber "Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis"
(1951) wurden zu großen Erfolgen in den USA.