Vor 125 Jahren wird Israels Staatsgründer Ben Gurion geboren

Der Traum vom "Licht unter den Nationen"

Er gilt als der "Vater Israels": Die Begeisterung für die zionistische Bewegung wurde Ben Gurion quasi in die Wiege gelegt. Dass er zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder die Annäherung an Deutschland suchte, erfreute nicht alle seine Landsleute.

Autor/in:
Andrea Krogmann
 (DR)

Als am 14. Mai 1948 gegen 16.00 Uhr David Ben Gurion ans Mikrofon tritt, um von einem Tel Aviver Balkon die Unabhängigkeit des Staates Israel auszurufen, ist es, als wolle die Geschichte dem Credo des ersten Ministerpräsidenten recht geben. "Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist", so lautete das Lebensmotto Ben Gurions.



"2.000 Jahre haben wir auf diese Stunde gewartet - und nun ist es geschehen." Mit diesen Worten begann Ben Gurion seine vielleicht wichtigste Rede. Schon mit 20 Jahren führte ihn seine Überzeugung für die zionistische Sache nach Palästina. Als über vier Jahrzehnte später sein Traum von einem eigenen Staat endlich Wirklichkeit wird, ist die Freude nur von kurzer Dauer. Es folgen Jahre des Krieges mit den arabischen Nachbarn. Es gilt, die Existenz des jungen Staates zu verteidigen.



Die zionistische Idee bleibt die treibende Kraft

Geboren 1886 als David Grün im polnischen Plonsk, wurde Ben Gurion die Begeisterung für die zionistische Bewegung quasi in die Wiege gelegt. Schon sein Vater Avigdor ist ein glühender Verehrer Theodor Herzls, des zentralen Vordenkers eines modernen Judenstaates. Sohn David tritt früh der zionistischen Arbeiterbewegung bei. In Palästina angekommen, ändert er seinen Namen in Ben Gurion (Löwensohn). Es folgt ein Jurastudium in Istanbul, bis er 1915 von den osmanischen Behörden ausgewiesen wird und nach New York weiterreist. Als Freiwilliger eines jüdischen Bataillons der britischen Armee kehrt er, inzwischen verheiratet, 1918 nach Palästina zurück.



Die zionistische Idee bleibt die treibende Kraft in seinem Wirken. In Haifa engagiert er sich 1920 als Mitbegründer des Gewerkschaftsverbands Histadrut, deren erster Vorsitzender er bis 1935 bleibt. In derselben Zeit gründet Ben Gurion die sozialistische Arbeiterpartei Mapai und beteiligt sich am Aufbau der Haganah, des militärischen Arms des Zionismus in Palästina. Die verstärkte jüdische Einwanderung nach Palästina und die Gründung jüdischer Siedlungen bleiben seine Themen, als er den Vorsitz der Jewish Agency (1935) und der zionistischen Weltorganisationen (1944) übernimmt. 1948 erfüllt er sich als Ministerpräsident einer vorläufigen Regierung mit der Ausrufung der Unabhängigkeit Israels seinen Traum.



An Visionen mangelt es dem Staatsgründer nicht. Ein "Licht unter den Nationen" sollte Israel werden; ein sozialer Staat mit hohen moralischen Ansprüchen, das "auf den beiden Grundsteinen "Land und Buch" - dem herrlichen Land und der Heiligen Bibel" beruht und dessen Gesellschaft und Verwaltung vom biblischen Gebot der Nächstenliebe geformt wird. Dazu die Entwicklung des Südens: Den Negev will er "zum Blühen" bringen. Eine eigens eingerichtete Akademie soll klären, wie die Wüstengebiete nutzbar gemacht werden könnten.



Umzug in die Wüste

Ben Gurion selbst zieht es erstmals 1953 in die Wüste. Er siedelt sich im neu gegründeten Pionierkibbuz Sede Boker an und widmet sich seiner zweiten Leidenschaft, der intellektuellen Lektüre. Mehr als 20.000 Bände in Altgriechisch, Latein, Englisch, Hebräisch, Französisch, Türkisch, Deutsch und Russisch umfasst seine private Bibliothek.



Nur gut ein Jahr dauert dieser erste Rückzug aus der Politik: Nach einem kurzen Gastspiel als Verteidigungsminister wird er 1955 erneut Premier. In die zweite Amtszeit fallen seine Bemühungen um eine Wiederannäherung an Deutschland - nicht gerade zur Freude vieler Landsleute. Ben Gurion beharrt auf seiner versöhnlichen Haltung. Es bleibe nichts anderes übrig, als "miteinander in die Zukunft zu gehen". Zweimal trifft er Konrad Adenauer - Grundstein für einen neuen Umgang zwischen beiden Ländern, die 1965 diplomatische Beziehungen aufnehmen.



Ein zweites Mal zieht sich der "Löwensohn" 1970 in sein Wüstenkibbuz zurück. Am 1. Dezember 1973 stirbt David Ben Gurion. Zwar blüht der Negev auch heute, sechs Jahrzehnte nach der Staatsgründung, noch nicht. Eine andere Vision Ben Gurions hat sich aber erfüllt. Die Zahl der Einwohner Israels ist auf 7,6 Millionen angewachsen, mehr als drei Viertel von ihnen Juden. Vom Frieden mit den arabischen Nachbarn, zu dem die 1948 von ihm verlesene Unabhängigkeitserklärung programmatisch aufruft, ist das Land aber weit entfernt.