Am Ende wurde Geronimo nicht erschossen, sondern stellte sich den Behörden: vor 125 Jahren, am 4. September 1886. Anfang Mai wurde El-Kaida-Führer Osama bin Laden von einer Spezialeinheit des US-Militärs in seinem Haus in Pakistan erschossen. Nach vollbrachter Tat übermittelten die Soldaten die Funkbotschaft "Geronimo". Bald erfuhr die Öffentlichkeit, dass dies nicht nur der Codename der Militäraktion, sondern zugleich die interne Bezeichnung für den Terroristenchef war. Die Folge war ein Aufschrei der Empörung vor allem bei der indianischen US-Bevölkerung. Man hatte einen international gesuchten Terroristen in die Nähe eines der größten Helden der indianischen Geschichte gerückt.
Über nur wenige Indianer ist so viel bekannt wie über Geronimo
Auch wenn die Gleichsetzung des berühmten Häuptlings mit dem Terroristenchef auch unsensibel und verletzend war - ganz von ungefähr kam sie nicht. Denn auch Geronimo war zeitweise so etwas wie Amerikas größter Feind. Auch er wurde mit großem militärischem Aufwand gejagt. Am Ende wurde er nicht erschossen, sondern stellte sich den Behörden: vor 125 Jahren, am 4. September 1886.
Über nur wenige Indianer ist so viel bekannt wie über Geronimo; es gibt sogar eine Autobiografie. Der greise Häuptling schrieb sie allerdings nicht selbst nieder, sondern diktierte sie - gegen Bezahlung und ohne besonderen Enthusiasmus - einem weißen Autor. Nicht auszuschließen ist, dass der Text in vielen Punkten nachträglich verändert wurde.
1858 erlebte er den Mord an seiner Familie mit
Der 1829 geborene Bedonkohe-Apache wurde in seiner Stammessprache eigentlich "Der Gähnende" (Gokhleyeh) genannt, weil er als Kind oft müde wirkte. Nüchtern und schnörkellos berichtet er über die Sitten und Gebräuche in seinem Stamm und seine Ausbildung zum Krieger. Auch das Ereignis, das sein Leben prägte, wird ohne Pathos erzählt: 1858 musste er miterleben, wie mexikanische Truppen seine Adoptivmutter, seine Frau und seine drei Kinder bei einem Überfall töteten. Daraus erwuchs eine lebenslängliche Feindschaft mit den Mexikanern, die eine Vielzahl von Rachefeldzügen zur Folge hatte.
In diesen Kämpfen überzeugte er durch Mut und taktisches Geschick, so dass er bald zum Kriegshäuptling der Bedonkohe und der Chokonen gewählt und Geronimo genannt wurde, angeblich nach dem Schutzheiligen "Gerome" (= Hieronymus), den die verzweifelten Mexikaner in seiner Gegenwart angerufen haben sollen.
Vertreibung in das Wüstenreservat San Carlos
Es waren dann nicht die Mexikaner, sondern die US-Amerikaner, die das Schicksal des Häuptlings und seines Stammes besiegelten: 1876 vertrieb General Crook die Apachen aus ihrem Stammesgebiet und zwang sie, sich im unfruchtbaren Wüstenreservat San Carlos niederzulassen. Hier waren die Indianer vollständig von den kargen Lebensmittellieferungen der Armee abhängig; viele starben an Unterernährung.
Geronimo widersetzte sich, brach mehrfach aus und unternahm Überfälle im Umland. Aus dieser Zeit stammt sein Image als Guerillakämpfer, obwohl seine Handlungen nicht politisch, sondern von Freiheitsdrang und Rachedurst motiviert waren. Um ihn zur Strecke zu bringen, setzte die Armee gewaltige Ressourcen ein: 5.000 Soldaten, 500 Apachen-Scouts und mehrere tausend Bürgermilizionäre.
Der besiegte und domestizierte Indianer
Nachdem sich Geronimo schließlich selbst gestellt hatte, kam er für drei Jahre ins Gefängnis. Danach wurde er für einige Jahre an verschiedene Orte verbannt, bis er 1894 mit den letzten Mitgliedern seines Stammes in ein Reservat in Oklahoma überführt wurde. 1903 konvertierte er dort zum Christentum. Ansonsten bestellte er friedlich das ihm überlassene Stück Land und wurde so zum Urbild des besiegten und domestizierten Indianers.
Besonders befremdlich ist ein Kapitel seiner Autobiografie, in dem Geronimo berichtet, wie er zum Ergötzen der Weißen über einen Rummelplatz geführt wurde. Kurz vor seinem Tod wollte er noch einmal in seine Heimat zurückkehren; der Wunsch wurde ihm nicht erfüllt. Am 17. Februar 1909 starb Geronimo an einer Lungenentzündung.
Einer Überlieferung zufolge sollen seine letzten Worte "Ich warte" gewesen sein. Für seine Nachfahren war das programmatisch: Auf eine Anerkennung der Schuld der US-Amerikaner an der Unterdrückung Geronimos und seines Volkes warten sie bis heute. Die "Aktion Geronimo" in Pakistan ist in dieser Hinsicht ein herber Rückschlag.