Vor 100 Jahren wurde Benedikt XV. zum Papst gewählt

Friedensaktivist mit Tiara

Benedikt XV. war der erste Friedensaktivist auf dem Stuhl Petri im 20. Jahrhundert. Dieser Papst war ein Wachrüttler. Heute vor 100 Jahren, am 3. September 1914, wurde der Italiener Giacomo della Chiesa zum Nachfolger Petri gewählt.

 (DR)

Als die Kardinäle den Norditaliener im Konklave zum Nachfolger von Pius X. wählten, war die gegenseitige Zerfleischung der Völker Europas schon in vollem Gange. Der Erzbischof des belgischen Mechelen musste die deutschen Besatzer erst um Erlaubnis für die Reise nach Rom ersuchen.

"Im Namen des allmächtigen Gottes, im Namen unseres himmlischen Vaters und Herrn", schrieb Benedikt XV. 1915 in einer Botschaft an die politischen Führungen der Kriegsparteien, "beschwören wir euch von der göttlichen Vorsehung an die Spitze der Völker gestellte, endlich dieser grauenhaften Schlächterei ein Ende zu setzen". Es folgten weitere Appelle und diplomatische Vermittlungsversuche.

Kein Gehör bei den Kriegstreibern gefunden

Benedikt XV. versuchte, die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn zu Vorleistungen für einen Friedensschluss zu veranlassen, um Frankreich und Großbritannien zu Verhandlungen zu bewegen. Doch alles vergebens - die Mächtigen Europas hörten nicht auf ihn, sein Plan scheiterte.

Mehr noch: Benedikt XV. wurde beschimpft: "Papst der Deutschen" nannte ihn der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau abschätzig. Der Chef der obersten deutschen Heeresleitung, Erich Ludendorff, sprach seinerseits verächtlich vom "Franzosenpapst". Moderne Forscher wie der Münchner Kirchenhistoriker Georg Schwaiger bescheinigen ihm hingegen rückblickend, Neutralität und Überparteilichkeit gewahrt zu haben.

Moralische Großmacht

Dass das Papsttum als moralische Großmacht so entschieden gegen einen Krieg Stellung nimmt, war damals nicht so selbstverständlich wie heute. Als Jugendlicher hatte Benedikt XV. immerhin noch eine 13.000 Mann starke päpstliche Armee erlebt, die sich den italienischen Truppen beim Angriff auf Rom 1870 entgegenstellte, wenn auch nur halbentschlossen. Und auch der theologische Überbau hatte noch keine pazifistischen Kratzer. Die traditionelle katholische Lehre vom gerechten Krieg war nahezu unangefochten.

Der damalige Erzbischof von Bologna galt als "Progressiver". Gewählt worden war er vor allem von jenen im Kardinalskollegium, die den erbitterten Kampf gegen den Modernismus seines Vorgängers Pius X. beenden wollten. Dazu zählten auch die deutschsprachigen Kardinäle.

Kirchenpolitisch wirkten vor allem zwei Anstöße seines Pontifikats fort: die Reform des katholischen Kirchenrechts, die 1917 in der Herausgabe des Codex Iuris Canonici mündete. Das bis 1983 gültige Gesetzeswerk hatte nach dem Urteil des Kirchenhistorikers Schwaiger eine "konsequent römisch-zentralistische Ausrichtung". Einen entscheidenden Anstoß gab Benedikt XVI. überdies der katholischen Mission. In seiner Enzyklika "Maximum Illud" vom 30. November 1919 verabschiedete er sich von der bis dahin vorherrschenden eurozentrischen Sichtweise auf die "armen Heidenkinder" in Afrika und Asien.

Früher Berufswunsch

Benedikt XV. kannte den Krieg auch aus seiner Familie: Zwei Brüder des humanistisch gebildeten Sprösslings eines alten Adelsgeschlechts aus Genua dienten in der italienischen Marine; einer von ihnen brachte es sogar bis zum Konteradmiral. Schon im Alter von zwölf Jahren dachte der kleine Giacomo offenbar daran, Priester zu werden.

Im Dezember 1878 schließlich empfing er die Priesterweihe in der Lateran-Basilika. Vier Jahre später trat der spätere Papst in den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls ein, wo er bis zu dessen Entmachtung 1903 ein enger Mitarbeiter von Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla wurde.

Aus den Fehlern von damals müsse man lernen, sagte Papst Franziskus zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs. Das hatte sich auch jener Nachfolger Benedikts vorgenommen, der heute unter Historikern am kontroversesten beurteilt wird: Pius XII. Als Mitarbeiter in der außenpolitischen Schaltzentrale des Vatikan und seit 1917 als Apostolischer Nuntius in München bekam er das Scheitern der Friedensbemühungen von Benedikt XV. hautnah mit. Daraus zog er nach Ansicht mancher Historiker die Lehre, im Zweiten Weltkrieg zumindest öffentlich unbedingt seine Unparteilichkeit zu wahren und das nationalsozialistische Deutschland und Hitler nicht direkt und namentlich an den Pranger zu stellen. So gesehen könnten das tragische Scheitern Benedikts XV., das angebliche Schweigen Pius XII.' und der historische Lapsus von Franziskus vielleicht zusammenhängen.


Quelle:
KNA