Vor 100 Jahren starb der Erfinder des Esperanto

Sprache eines Hoffenden

Esperanto, die Erfindung eines jüdischen Augenarztes, lebt bis heute - anders als rund 1.000 andere Plansprachen. Und mit ihr lebt auch der Wunsch von Ludwig Lejzer Zamenhof weiter, die Welt ein Stück besser zu machen.

Die ersten Worte des Matthäusevangeliums auf Esperanto / © Alexander Brüggemann (KNA)
Die ersten Worte des Matthäusevangeliums auf Esperanto / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Die Erfindung der Weltsprache Esperanto war zwar kein Pfingstereignis. Aber ihr Erfinder war dennoch inspiriert: von der Notwendigkeit einer gemeinsamen Sprache für die gesamte Menschheit. Vor 100 Jahren, am 14. April 1917, starb Ludwig Lejzer Zamenhof in Warschau.

Als 1914 eine jüdische Esperanto-Vereinigung gegründet werden sollte, war Zamenhof dagegen. Jeder Nationalismus bringe Schlechtes, meinte er. Der Jude Zamenhof, der am 15. Dezember 1859 im ostpolnischen, damals russischen Bialystok geboren wurde, war ein Internationalist und enttäuschter Zionist. Eine Heimat für alle Juden in Palästina anzustreben, schien ihm nicht realistisch: Die jüdische Sprache sei tot, ein vermeintliches jüdisches Nationengefühl überschätzt und Palästina dafür ohnehin zu klein.

Bald nach dieser Erkenntnis legte Zamenhof am 26. Juli 1887 das erste Lehrbuch seiner über viele Jahre entwickelten "Lingvo Internacia" (internationalen Sprache) vor. Um seinen Ruf als praktizierender Augenarzt nicht aufs Spiel zu setzen, publizierte er die auf Russisch verfasste Broschüre unter dem Namen "Dr. Esperanto" (übersetzt "Doktor Hoffender"). Das Pseudonym wurde zum Namen der bis heute wichtigsten sogenannten Plansprache der Welt.

Traum von der einfachen Sprache

Zamenhof wuchs im zaristischen Bialystok mit mehreren Sprachen und Kulturen auf: Russisch sprach der Vater, Jiddisch die Mutter, Polnisch die Straße. In der Schule kamen fünf weitere hinzu. Und er erlebte auch früh die Spannungen zwischen den diversen Volksgruppen in seiner Stadt. Schon als Schüler träumte er daher von einer einfachen Sprache, die die ganze Menschheitsfamilie leicht neben ihrer jeweiligen Muttersprache erlernen und durch sie miteinander versöhnt werden könnte.

Sein Medizinstudium brachte Zamenhof nach Moskau und Warschau - und antijüdische Pogrome schon bald in zionistische Kreise. Dort traf er auf seine künftige Ehefrau Klara, die - begeisterungsfähig wie er selbst - seine Esperanto-Idee auch zu ihrer machte. Sie stand zu ihm, auch als sich, nicht zuletzt wegen seiner sozialen Ader, der Erfolg seiner Arztpraxis in Grenzen hielt.

Zäher Start für Esperanto

Mit der Verbreitung seiner Sprache hatte Zamenhof mehr Glück. Zwar gab es einen gewissen Markt für Plansprachen, doch scheiterten die meisten schon sehr früh. Mit dem Esperanto konkurrierte vor allem das einige Jahre ältere Volapük des Konstanzer Pfarrers Johann Martin Schleyer (1831-1912). Dessen Kunstsprache stand damals auf dem Zenit seines Erfolges, zerbrach dann aber an Zwistigkeiten unter den Volapük-Anhängern.

Nach zähem Start schaffte das Esperanto seit 1900 einen Durchbruch: Über Russland und Skandinavien fand es bis zum Ersten Weltkrieg Eingang in Westeuropa. Ein deutscher Verband wurde 1906 gegründet. Ohne größeren Widerhall blieb Zamenhofs übergeordnete Idee, für die die Sprache Esperanto eigentlich nur ein Vehikel sein sollte: das Ideal einer allgemeinen, quasi neutralen Weltanschauung. Sein Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelter "Homaranismo" (Menschheitslehre) sah vor, dass alle Menschen gemeinsam an ein höheres Wesen glauben und ansonsten ihre religiösen Überzeugungen und Bräuche beibehalten sollten: eine in allem gleichberechtigte Menschheitsfamilie.

Der Wunsch, die Welt besser zu machen, lebt weiter

Diese stark verkopfte Form religiöser und multikultureller Toleranz als künstlicher Welt-Vergesellschaftung war nicht vermittelbar. Und Zamenhof hielt sich mit der Verbreitung seiner Verbrüderungslehre auch weitgehend zurück, um nicht Nationalisten eine ideologische Waffe gegen das Esperanto an die Hand zu geben - was vor allem im Dritten Reich schließlich doch eintrat. Esperantisten wurden als "Strolche und Kommunisten" verfolgt, die Sprache als ein Vehikel zur "Verwirklichung des jüdischen Weltreichs" verfemt.

In seinen letzten Lebensjahren widmete sich Zamenhof, zunehmend belastet von gesundheitlichen Problemen, verstärkt seiner Esperanto-Übersetzung der Bibel aus dem Hebräischen. Am 14. April 1917 starb er in Warschau. Zamenhofs Sprache lebt bis heute - anders als rund 1.000 andere Plansprachen. Und mit dem Esperanto lebt auch Zamenhofs Wunsch weiter, die Welt ein Stück besser zu machen.


Quelle:
KNA