Vor 100 Jahren gründete Kirchengemeinde Borussia Dortmund

Der Kaplan spielte nicht mit

Nur wenige Kerzen brennen vor der Marienikone. Es zieht nicht mehr viele Gläubige regelmäßig in die Dortmunder Dreifaltigkeitskirche.

Autor/in:
Benedikt Plesker und Andreas Otto
 (DR)

Trotzdem hält die Stadt sie in Ehren. Denn am 19. Dezember 1909 gründeten Mitglieder der Kirchengemeinde den "Ballspiel-Verein Borussia 1909". Eine Dauerausstellung in dem Gotteshaus erinnert an diese Geschichte. Und hier gibt es denn auch zum 100. Geburtstag von Borussia Dortmund am Samstag vor dem Heimspiel gegen den SC Freiburg einen ökumenischen Gottesdienst.

Die Geschichte des Dortmunder Fußballs beginnt auf der "Weißen Wiese" hinter der Kirche: Junge Männer aus kirchlichen Jugendgruppen trafen sich seit 1901 sonntäglich zum Fußballspiel. Vormittags saßen sie in der Kirchenbank, nachmittags schnürten sie die Fußballstiefel. Doch dem damaligen Kaplan Hubert Dewald gefiel das Spiel mit der Pille nicht. Er drängte auf "geistige Beschäftigung mit guten Büchern" und den Besuch der Andacht am Sonntagnachmittag. Aus Protest dagegen gründeten die Fußballer am vierten Adventssonntag 1909 ihren eigenen Verein und traten aus der kirchlichen Organisation "Jünglingssodalität Dreifaltigkeit" aus. Das war die Geburtsstunde der Borussia.

Der Streit bei "Dreifaltig" ist längst vergessen. Zum 100-Jahr-Jubiläum fand der Paderborner Weihbischof Matthias König sogar entschuldigende Worte für den damaligen Kaplan. Die "Abtrünnigen" hatten auch nicht der Kirche den Rücken gekehrt. Zwar klagte bei der Gründung der erste Geschäftsführer und spätere Präsident Franz Jacobi erbittert: "Wir Fußballer werden seit 1906 systematisch von unserer Kirche bekämpft und diffamiert." Dennoch heiratete er in der Pfarrkirche und ließ seine drei Kinder dort taufen.

Gotteshaus von der Schließung bedroht
Das Gotteshaus ist wie viele andere Kirchen inzwischen von der Schließung bedroht. Eine von drei Kirchen im Pastoralverbund wurde bereits aufgegeben. Nach dem Willen der Gemeinde soll die doppeltürmige Dreifaltigkeitskirche zwischen dem Borsigplatz und einer Stahlhütte zur festen Anlaufstelle für BVB-Fans werden. An den Säulen der Kirche wird seit Eröffnung der Dauerausstellung vor einem Jahr die Gründungsgeschichte des Fußballvereins erzählt - in schwarzer Schrift auf gelbem Grund, den Vereinsfarben der Dortmunder. Neben der Marienikone am Kerzenstand hängt ein Gebet für Fußballfans. Und ein kleiner Engel aus Ton trägt Fan-Schal und Ball.

"Es gibt Vereine, die stellen sich Buddha-Statuen aufs Dach oder sie geben sich mit einem kleinen Gebetsraum in einem Stadion zufrieden - Borussia Dortmund hat eine Stammkirche", sagt Vikar Ansbert Junk mit Blick auf die Konkurrenz in München und Gelsenkirchen. Schon jetzt zieht es Dortmund-Fans in diese Kirche, etwa um dort wie Mitgründer Jacobi zu heiraten.

Der kirchliche Ursprung der Dortmunder Borussia ist vielen unbekannt. Seit einiger Zeit bringen deshalb Stadtführungen Interessierte zur Dreifaltigkeitskirche und zur "Weißen Wiese", auf der die BVB-Gründer erstmals gegen das runde Leder traten. Das neue "Borrusseum" schlägt ebenfalls eine Brücke zum Gründungsort des Vereins. So erlebt das Gotteshaus eine Art Renaissance.

Allerdings sorgen sich die Verantwortlichen um die Bausubstanz. Wasserflecken an der Decke weisen darauf hin, dass eine grundlegende Renovierung fällig ist. Deshalb steht die Idee im Raum, einen Kirchenbauverein zu gründen, der die notwendigen Finanzmittel einwirbt. Vikar Junk geht jedenfalls von der Langlebigkeit der Kirche aus. Beim Jubiläumsgottesdienst am Samstag soll eine eigens errichtete Stele mit Dokumenten über die kirchlich-fußballerische Tradition verschlossen werden. Mit dabei ist ein Brief des derzeitigen Pastoralteams an die Seelsorger, die in 50 Jahren für die Gemeinde Verantwortung tragen werden.