Vor 100 Jahren wurde die Caritas von Bischöfen anerkannt

An den Rändern der Gesellschaft

Mit über 590.000 Angestellten ist der Deutsche Caritasverband ein Riese unter den Unternehmen. Und doch ist der katholische Wohlfahrtsverband keine Firma wie jede andere. Vor 100 Jahren wurde er offiziell anerkannt.

Autor/in:
Christoph Arens
Begrüßung per Handschlag / © Uwe Anspach (dpa)
Begrüßung per Handschlag / © Uwe Anspach ( dpa )

Er ist Träger von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Familienberatungsstellen. Er will eine starke Stimme in gesellschaftlichen und sozialpolitischen Debatten sein. Der Deutsche Caritasverband ist der derzeit größte Wohlfahrtsverband in Deutschland - und mit mehr als 590.000 Angestellten in mehr als 24.000 Einrichtungen der größte private Arbeitgeber in Deutschland.

Vor 100 Jahren, am 23. August 1916, erhielt der Zusammenschluss die offizielle Anerkennung der katholischen Bischöfe und wurde damit entscheidend aufgewertet.

Vielfalt katholischer sozialkaritativer Gruppen

Dabei hatten die katholischen Sozialverbände der Entwicklung lange hinterhergehinkt. Zwar gab es gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland eine kaum zu überschauende Vielfalt katholischer sozialkaritativer Gruppen und Initiativen - Vinzenzvereine, städtische Caritaskreise und Verbände wie "Arbeiterwohl" und "Volksverein". Die organisierte katholische Nächstenliebe arbeitete jedoch weitgehend unkoordiniert.

Andere waren da weiter: Die Protestanten hatten bereits 1848 die "Inneren Mission" gegründet. Die nicht-konfessionelle Wohlfahrt war im "Roten Kreuz" (1863) und im "Vaterländischen Frauenverein" (1866) zentral organisiert. "Mehr Organisation" forderten deshalb katholische Sozialpolitiker wie der Münsteraner Franz Hitze und warben für eine Bündelung des katholischen Engagements bei der Bekämpfung von Elend und Not. "Guter Wille und Opfersinn allein genügen nicht - es muss klar und zielbewusst gearbeitet werden."

Caritas Deutschland

Der Deutsche Caritasverband (DCV) ist der größte Wohlfahrtsverband Europas. Die Dachorganisation katholischer Sozialeinrichtungen setzt sich für Menschen in Not ein. Mit rund 690.000 hauptamtlichen Mitarbeitern - 80 Prozent sind Frauen - ist die Caritas zudem der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Der Begriff "caritas" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Nächstenliebe. Sitz des 1897 gegründeten Verbands ist Freiburg. Wichtige Bedeutung haben die Büros in Berlin und Brüssel.

Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus (KNA)
Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus ( KNA )

Umsturz befürchtet

Im Hintergrund stand dabei nicht allein die Konkurrenz zu den Protestanten. Als gemeinsamen Gegner hatten beide Konfessionen längst den Sozialismus ausgemacht, von dem man den Umsturz der bestehenden Ordnung befürchtete.

Es war schließlich der Freiburger Priester Lorenz Werthmann, der die Gründung des "Charitasverbandes für das katholische Deutschland" entscheidend voranbrachte. Am 9. November 1897 wurde der Wohlfahrtsverband in Köln aus der Taufe gehoben. Der neue Verband engagierte sich bald auf vielen Gebieten: für Saisonarbeiter, Seeleute, Tippelbrüder, Trinker, körper- und geistig behinderte Menschen setzte er sich ebenso ein wie für Kindergärten, Mädchenschutz, Krankenpflege und Frauenfragen.

Misstrauen der Bischöfe geweckt

Allerdings: Die kirchliche Hierarchie tat sich lange schwer mit dem Caritasverband. Werthmann neigte zu Alleingängen; seine überbordenden Aktivitäten wecken das Misstrauen der Bischöfe. Erst als sich mitten im Ersten Weltkrieg und angesichts der Kriegsnot abzeichnete, dass der junge Verband wegen unzulänglicher Infrastruktur, Finanzplanung und Aufgabenkonzeption überfordert war, verbesserte sich die Zusammenarbeit. 1916 sicherte die Bischofskonferenz durch einen "Anerkennungsbeschluss" den Bestand und damit die Förderung des Caritasverbandes als Sozialdienst der Kirche.

Inzwischen hat sich die soziale Landschaft in Deutschland stark verändert. Aus manchen Feldern hat sich der Staat zurückgezogen. Private Anbieter treten neben den klassischen Wohlfahrtsorganisationen auf, insbesondere im Senioren- und Gesundheitsbereich. Die Caritas muss sich auf dem Markt der sozialen Dienstleistungen bewegen. Ihr Plus sind die ehrenamtlichen Angebote und die Verbindungen in die Gemeinden und Seelsorgeeinheiten hinein.

Noch immer nicht spannungsfrei

Auch heute ist das Verhältnis von Caritas und Kirche nicht immer spannungsfrei - was sich etwa am Streit um die kirchliche Schwangerschaftskonfliktberatung oder unterschiedliche Interessen beim kirchlichen Arbeitsrecht ablesen lässt. Dennoch würdigen die katholischen Bischöfe am Dienstag die Arbeit der Caritas als unverzichtbar. "Kirche ist ohne Caritas nicht Kirche", erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, in Bonn. Das Handeln der Caritas sei Teil der christlichen Botschaft und Zeugnis der Liebe Gottes zu den Menschen. Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der Caritas gingen - wie Papst Franziskus es fordere - an die Ränder der Gesellschaft.

 

Quelle:
KNA