Politische Einordnung der Flüchtlingsströme von 2015/16

Von "gut bewältigt" bis "beunruhigend"

Deutschland hat nach Einschätzung Bundesregierung den starken Zuzug von Flüchtlingen ab 2015 "gut bewältigt". Kritik kommt von Pro Asyl: "Was vom Bundesinnenministerium als Erfolg verkauft wird, geht auf Kosten Schutzsuchender."

Autor/in:
Alexander Riedel
Die großen Flüchtlingsströme im Jahr 2015 / © Armin Weigel (dpa)
Die großen Flüchtlingsströme im Jahr 2015 / © Armin Weigel ( dpa )

Seit den Jahren 2015/16 mit dem Höhepunkt des Zuzugs habe sich die Einwanderung nach Deutschland gewandelt. "Die Zuwanderung von Schutzsuchenden ist zurückgegangen, und es kommen mehr Menschen, um hier zu studieren und zu arbeiten", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert nach der Verabschiedung des Migrationsberichts 2018 durch das Bundeskabinett.

Die Zahl der Asylantragsteller sei 2018 erstmals wieder unter das Niveau von 2014 gefallen. Dies sei ein "deutlicher Rückgang der Fluchtmigration", sagte der Sprecher.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums ging die Zahl der Schutzsuchenden 2019 - also nach dem Zeitraum des Migrationsberichts - weiter zurück. So beantragten im vergangenen Jahr rund 111.000 Menschen nach ihrer Einreise Asyl. Das waren 14,3 Prozent oder rund 18.500 weniger als im Vorjahr. Für nach der Einreise der Eltern geborene Babys kamen rund 31.000 Erstanträge hinzu.

Der Rückgang der Asylzahlen sei angesichts steigender weltweiter Flüchtlingszahlen "keine beruhigende Nachricht, im Gegenteil", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. Immer mehr Flüchtlinge scheiterten an den europäischen Abschottungsmaßnahmen oder lebten unter elenden Bedingungen an den EU-Außengrenzen. "Von Ordnung und Humanität kann da überhaupt keine Rede sein", kritisierte die Abgeordnete. 

Kritik von Pro Asyl

Ähnlich äußerte sich die Organisation Pro Asyl. "Was vom Bundesinnenministerium als Erfolg verkauft wird, geht auf Kosten Schutzsuchender", sagte die Leiterin der Abteilung Rechtspolitik bei Pro Asyl, Bellinda Bartolucci, in Frankfurt. Die Politik habe auch 2019 die Taktik, den Flüchtlingsschutz auszulagern oder gar zu verhindern, "erbarmungslos fortgesetzt". Den EU-Türkei-Deal wertete die Organisation als "flüchtlingsfeindliche Abschottungsmaßnahme". An dem Deal festzuhalten sei zynisch, da die Türkei selbst mittlerweile zu den Top 3 der Herkunftsländer Asylsuchender gehöre.

Laut Migrationsbericht zogen im Jahr 2018 mit fast 1,6 Millionen etwa gleich viele Menschen nach Deutschland wie im Vorjahr. Zugleich verließen fast 1,2 Millionen Menschen die Bundesrepublik. Mit rund 400.000 Menschen verzeichnete Deutschland damit den niedrigsten Wanderungsüberschuss seit 2013. Von den 81,6 Millionen Einwohnern hatten 13,5 Millionen eigene Migrationserfahrungen.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass Deutschland für Forscher und Studierende aus der ganzen Welt zunehmend attraktiv werde. "Hier dürfen wir in einem stärker werdenden globalen Wettbewerb nicht nachlassen, sondern müssen unsere internationale Attraktivität weiter steigern."

Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Filiz Polat, befand hingegen, die Migrationspolitik sei auf dem Irrweg. Es fehle unter anderem an erleichterten Aufenthaltsbedingungen für Hochschulabsolventen sowie einem Klima einer "gelebten Einwanderungsgesellschaft".


Quelle:
KNA