Von der Schönheit der Welt zu erzählen

Das Meer als Verbündeten

"Packst Du auch das Meer ein?" fragt mich Jana, sechs Jahre.

Ein Tag am Meer / © Krumpen
Ein Tag am Meer / © Krumpen

Als ich einen Ausflug dorthin, ans Meer eben, vorschlage. Die Frage rührt mich. Zeigt sie doch, was mich schon so lange umtreibt: Jana und ihre zwei Schwestern haben kaum Möglichkeiten, die Schönheit unserer Welt zu erfahren. Wie so viele andere Kinder in Deutschland, die wie sie in der oft so schäbigen Armut sozialer Brennpunkte groß werden.

Ein Tag ist kurz. Welcher Ort kann von der Schönheit der Welt erzählen? Ich will das Meer als Verbündeten.

Mit seinem weiten Horizont, mit Wind und den Lichtfunken, die die Sonne an schönen Tagen auf seinen Wellenkämmen tanzen lässt. In meinem Herzen weckt das Sehnsucht nach Weite und Freiheit. Und Schönheit eben. 

Auf der Hinfahrt düstert und regnet der Himmel vor sich hin. Als wir den Deich stürmen, erstreckt sich das Meer grau und nass vor uns. Aber am weiten Strand liegt, wie von Zauberhand gebaut, ein hölzernes Piratenschiff. In seiner geräumigen Kajüte finden wir Schutz vor Wind und Wetter. Später erfahren wir von der Strandwacht, dass das Schiff erst drei Tage zuvor aufgebaut wurde.  

Schiff und Meer übernehmen die Regie: die Kinder segeln und vertreiben die um das Piratenschiff schwimmenden Haie. Dann wollen die Mädels ins Wasser. Bei 14 Grad stürzen wir uns in die Fluten. Der heftige Wind treibt die Wellen– die Mädchen springen kreischend darüber, lassen sich umwerfen und genießen die elementare Kraft. Der Kälte laufen wir am Strand, Fangen spielend und Ball werfend, einfach davon.

Dann wird eingebuddelt. Die Große sorgt sich, ob der Sand wohl auch für ihre Schwestern reiche? "Es fliegen viele Sände" stellt die Mittlere fest, als der Wind mit 1000 Nadelstichen den Sand gegen ihre nackten Beine jagt. Schließlich, die Flut hat mittlerweile mächtige Priele in den Sand getrieben, fragt die Kleinste, ob man "jetzt zum Mülleimer schwimmen" müsse?

Nach einer großen Portion feinster holländischer Pommes fährt unser kleiner Bus in den Abendhimmel zurück. Bis zum Dach mit geborgener Stille angefüllt.

Ich staune in das beseelte Schweigen. Rilke fällt mir ein: „…dann meine Seele, sei weit. Sei weit. Dass Dir Dein Leben gelinge.“

Es war so leicht, unsere Seelen zu nähren.