Kölner Unternehmen produziert mehr als 1.000 Osterkerzen

Von Alpha bis Omega

Es braucht ein Kreuz, die Jahreszahl, die Symbole für Anfang und Ende - und die Osterkerze wird in der Osternacht entzündet. Ein Kölner Unternehmen stellt sie her und verziert sie von Hand. Eine ist sogar 1.30 Meter hoch.

Autor/in:
Annika Schmitz
Osterkerzen stehen auf einem Tisch / © Harald Oppitz (KNA)
Osterkerzen stehen auf einem Tisch / © Harald Oppitz ( KNA )

Lisa Wieland beginnt fast immer mit dem Ende. Vorsichtig nimmt die gelernte Wachsbildnerin das rote Wachsplättchen in Form eines Omegas und drückt es leicht auf das untere Viertel der Kerze. Omega, das ist der 24. und letzte Buchstabe im griechischen Alphabet. Er symbolisiert das Ende. In der Kölner Kerzenfabrik Joh. Schlösser passieren hunderte dieser Symbole die Hand der jungen Frau.

Bloß keine Zahlendreher

Wenn das Omega seinen Platz gefunden hat, kümmert sich Wieland um das Kreuz. Lage für Lage, von unten nach oben, entsteht so die Verzierung der Osterkerze. Erst wenn das Kreuz auf seiner Wachsunterfläche haftet, folgen das Alpha, der erste Buchstabe des griechischen Alphabets und folglich Symbol für den Anfang, und die Jahreszahl. 2021 soll auf der Kerze stehen. "Da muss man immer ein bisschen aufpassen", sagt Wieland und lacht. "Nicht, dass ein Zahlendreher passiert und die Kerze plötzlich für 2012 ist."

Maximal zwanzig Kerzen kann die Wachsbildnerin so am Tag verzieren. Insgesamt stellen die 20 Mitarbeiter der Kerzenfabrik mehr als 1.000 jener großen Osterkerzen her, die in der Osternacht in den Kirchen von Köln über Düsseldorf bis hin nach Ratingen entzündet werden. Allein vier Verziererinnen sind dafür zuständig, dass die christliche Symbolik auf dem weißen Wachsuntergrund haftet.

Gründung im Jahr 1764

Eine der größten Kerzen geht an den Kölner Dom. 1,30 Meter ist sie hoch und hat einen Durchmesser von zwölf Zentimetern. Rund eine Woche dauert es, bis das etwa zehn Kilogramm schwere Exemplar alle Produktionsschritte durchlaufen hat, sagt Sebastian Zimmermann. Er arbeitet bereits in neunter Generation in der Wachsbleiche und Kerzenfabrik, die er gemeinsam mit seinen Eltern führt. Das Unternehmen kann seine Geschichte bis zur Gründung im Jahr 1764 zurückverfolgen.

Eine Kerze von Höhe und Umfang, wie der Dom sie bestellt, ist das größtmögliche Exemplar, das in der firmeneigenen Produktionshalle im Kölner Industriegebiet in Marsdorf hergestellt werden kann. Dort drinnen ist es warm und riecht nach Wachs. Um die 200 Tonnen von dem Material werden hier jährlich in Kerzen umgewandelt, schätzt Zimmermann. Unter ihnen sind jene für Taufe, Hochzeit, Erstkommunion, für Restaurants und Firmen - und jede Menge Opferlichter.

Gerade bei denen spürt das Unternehmen die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Was aktuell fehle, seien Gläubige und Touristen, die in den Kirchen ein Licht entzünden. Normalerweise lieferten sie drei Paletten Opferlichter pro Woche an den Kölner Dom, erzählt Birgit Zimmermann. Seit Anfang des Jahres sind sie die Reise erst zweimal angetreten. Die Produktion der Osterkerzen hingegen ist im vollen Gange.

Wie Jahresringe am Baum

Im Moment arbeiteten die Mitarbeiter im Akkord, sagt Sebastian Zimmermann. "Ostern ist dieses Jahr relativ früh, das nimmt uns drei Wochen Vorbereitungszeit." Ohne Wochenendschichten kämen sie im Moment nicht aus. Denn jede einzelne Osterkerze wird nicht nur handverziert, sie wird zuvor auch komplett produziert.

Dass ihre Kerzen noch gezogen und nicht gepresst sind, lässt sich an den Ringen erkennen, die sich - wie Jahresringe am Baum - um den Docht schlingen, erklärt Birgit Zimmermann. Die Kerze wächst mit jeder Schicht heißem Wachs, durch das sie gezogen wird. Anschließend wird sie auf die richtige Größe gebracht und mit Hilfe von heißen Metallringen geglättet. Erst ganz zum Schluss erfolgt das Bohrloch für den Dorn, auf dem die Kerze später stehen soll. Damit vor Ort alles passt, hat die Firma die exakten Daten zu jedem Kerzenständer, an die die Bohrung in der Osterkerze angepasst wird.

Alpha, Omega und Jahreszahl

In den allermeisten Fällen passt es dann auch. Für die Ostertage biete das Unternehmen trotzdem einen Notdienst an, erklärt Sebastian Zimmermann. Bei Kerzennotfällen fahren er und sein Vater auch schon mal quer durch das Auslieferungsgebiet - im Kofferraum immer ein paar klassische Osterkerzen: ein rotes-goldenes, schnörkelloses Kreuz in der Mitte, umrahmt von Alpha, Omega und Jahreszahl.

Die Kerze, an der Lisa Wieland hingegen gerade arbeitet, wird von einem erst in diesem Jahr entwickelten Motiv geziert. In ihrer Mitte prangt das Osterlamm. Ganz am Schluss bohrt die Wachsbildnerin noch fünf kleine Löcher, in die während der Feier der Osternacht die wachsernen Nägel als Zeichen für die Wundmale Christi geschlagen werden. Dann stellt sie das Endprodukt zur Seite, holt einen weiteren Auftragsschein hervor und sucht sich in dem langen Regal all jene Wachsplatten zusammen, die sie für die nächste Kerze zurechtschneiden, anordnen und aufkleben muss.


Sebastian Zimmermann, Geschäftsführer von Kerzen Schlösser, kontrolliert Kerzen bei einem Tauchbad / © Harald Oppitz (KNA)
Sebastian Zimmermann, Geschäftsführer von Kerzen Schlösser, kontrolliert Kerzen bei einem Tauchbad / © Harald Oppitz ( KNA )

Lisa Wieland, Mitarbeiterin von Kerzen Schlösser, hält eine fertig gestaltete Osterkerze im Atelier einer Kerzenfabrik in Köln / © Harald Oppitz (KNA)
Lisa Wieland, Mitarbeiterin von Kerzen Schlösser, hält eine fertig gestaltete Osterkerze im Atelier einer Kerzenfabrik in Köln / © Harald Oppitz ( KNA )

Lisa Wieland sucht im Lager die Verzierungen für eine Osterkerze zusammen / © Harald Oppitz (KNA)
Lisa Wieland sucht im Lager die Verzierungen für eine Osterkerze zusammen / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA