Vom Streit um Kathedralen, Stadtpaläste und Weinberge

Wem gehören Spaniens Kirchen?

Spaniens Regierung will Eigentumsrechte von fast 40.000 Kirchen, Kathedralen und Gebäuden überprüfen und die Kirche notfalls enteignen. Die gibt sich kooperationsbereit, aber die Stimmung ist populistisch aufgeheizt.

 (DR)

Die Kathedrale von Sevilla zieht mit ihrem Giralda-Turm und dem Kolumbus-Grab jährlich Hunderttausende von Touristen an. Niemand verlässt Barcelona, ohne Gaudis Sagrada Familia besucht zu haben. Und die meisten fahren eigentlich nur nach Cordoba, um die weltberühmte Moscheen-Kathedrale zu sehen.

Einträgliche Orte des Glaubens

Spaniens imposante Kirchen und Kathedralen sind nicht nur Orte des Glaubens, sondern auch touristische, viel Geld einbringende Attraktionen. Und so ist nun eine politisch-gesellschaftliche Debatte entstanden, die vor allem eine Frage aufwirft: Wem gehören die Zigtausenden Kathedralen, Kirchen und Kapellen in ganz Spanien eigentlich? Der Kirche natürlich, würde man spontan antworten. Die Eigentumsrechte scheinen aber tatsächlich gar nicht immer so eindeutig zu sein.

Die Diskussion über die Kirchengüter nahm so an Fahrt auf, dass die neue sozialistische Regierung von Pedro Sanchez nun ankündigte, die Besitzverhältnisse von bis zu 40.000 Sakralbauten und Immobilien der katholischen Kirche zu überprüfen und sie notfalls zu enteignen oder zurückzufordern. Die Rechtslage ist zuweilen verworren. Als Beleg der Besitzverhältnisse gilt der Eintrag einer Immobilie ins Grundbuchregister.

Fernando Gimenez Barriocanal, Vizesekretär für wirtschaftliche Angelegenheiten der Spanischen Bischofskonferenz, sagte der Zeitung "El Pais" jüngst, dass es in der Vergangenheit bei der Eintragung beziehungsweise Übertragung von kirchlichen Immobilien in die Grundbücher mit Sicherheit "Fehler" gegeben haben könnte. Er gibt aber auch zu bedenken, dass viele Kathedralen und Kirchen im Mittelalter entstanden, als es noch keine Bürokratie gab.

Streit um die "Mezquita" in Cordoba

Der Lauf der Geschichte verkomplizierte die Verhältnisse noch. In der Zweiten Spanischen Republik und im Zuge des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) wurden mehr als 200 Kirchen in Spanien per Dekret dem Staat übertragen. Danach konnte die Kirche unter der Franco-Diktatur und noch bis 2015 Gebäude einfach und problemlos ins Grundbuchregister eintragen lassen. Voraussetzung war lediglich die Unterschrift des Bischofs.

In den vergangenen Jahren wuchs im Zuge der Abwendung großer Teile der Bevölkerung von der Kirche, der Wirtschaftskrise und mit dem Aufkommen linkspopulistischer Bewegungen jedoch die Meinung vieler Menschen, die Kirche sei zu reich.

2013 dann der Fall der "Mezquita" in Cordoba. Unter dem Motto "Kathedrale-Moschee von Cordoba: Das Erbe aller" starteten Geschichtsprofessoren, Juristen und Journalisten eine Initiative, um die angeblich "juristische, wirtschaftliche und symbolische Vereinnahmung" des Baus durch die Kirche zu stoppen.

Die Gruppe warf dem Bischof von Cordoba vor, still und heimlich die muslimischen Symbole aus der Kathedrale entfernen zu lassen und die Eintrittsgelder zudem nur in die Kirchenkassen fließen zu lassen, obwohl die Kirche 2006 illegal das Monument ins Grundbuch habe eintragen lassen.

Besitzverhältnisse sollen geklärt werden

Die Moschee stammt aus dem 8. Jahrhundert. Erst nach der Rückeroberung Spaniens durch die katholischen Könige im Jahre 1492 wurde sie in eine katholische Kirche umgewandelt. Damit müsste das Gebäude eigentlich im Staatsbesitz sein, argumentiert der Geschichtsprofessor Antonio Rodriguez Ramos.

Die Gruppe forderte die andalusische Regionalregierung und die Unesco auf, die Besitzverhältnisse zu klären. Der Tempelbau sei vor 30 Jahren immerhin nicht nur wegen seiner architektonischen Bedeutung, sondern auch als Symbol der Eintracht zwischen den Zivilisationen und Religionen zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt worden. Jetzt vereinnahme die Kirche den historischen Moscheebau, mit 23.000 Quadratmetern einer der größten der Welt, ausschließlich für sich - Eintrittsgelder in Millionenhöhe inklusive.

Die Initiative breitete sich schnell über ganz Spanien aus. Bürgermeister, politische Gruppen und Bürgerinitiativen wollen wissen, ob die Kirchen, Kapellen, aber auch Krankenhäuser, Weinberge, Plätze, Brunnen und Stadtpaläste wirklich der Kirche gehören.

Die Kirche gibt sich "kooperationsbereit", so Jose Maria Gil Tamayo, Sprecher der Bischofskonferenz. Man habe zwar keine vollständige Liste aller Liegenschaften und Gebäude, sei aber bereit mit der Regierung zusammenzuarbeiten, um alle Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verhältnisse auszuräumen.

Von Manuel Meyer


Trauernde vor der Sagrada Familia / © Manu Fernandez (dpa)
Trauernde vor der Sagrada Familia / © Manu Fernandez ( dpa )
Quelle:
KNA