Buch erzählt die Geschichte des Ruhrbistums in 30 Objekten

Vom Papst-Lutscher bis zur Sammelbild-Madonna

Geschichte wird oft anhand von Zeitabfolgen oder wichtigen Persönlichkeiten erzählt. Ein Herausgeberteam aus dem Bistum Essen versucht sich an einem anderen Ansatz. Es gibt ordentlich was zu blättern dabei.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Der Essener Dom / © Ilija Ascic (shutterstock)

Ein Lutscher mit dem Konterfei des Papstes, die Muttergottes als Aufkleber, ein Holzkreuz aus Balken für den Bergbau - so wurde Kirchenhistorie selten erzählt. Anhand von 30 Objekten berichtet ein Buch aus dem Aschendorff-Verlag über die Geschichte des 63 Jahre jungen Bistums Essen.

Das Herausgeberteam orientiert sich dabei nicht an chronologischen Verläufen oder der Abfolge von Bischöfen, wie das in anderen Bistums-"Biografien" der Fall ist. Stattdessen greift es gut zwei Dutzend Objekte heraus, über die sich der Lesende den "lokal gelebten christlichen Identitäten (im Plural!)" im Ruhrbistum annähern kann.

Vorbild kommt aus London 

Arbeiterbistum, Reformdiözese, Kirche im Melting-Pot - ob sich diese Zuschreibungen in den Objekten wiederfinden, fragt das Herausgeberteam im Vorwort von "Geschichte(n) des Bistums Essen in 30 Objekten".

Auf 196 Seiten nehmen Historikerinnen, Pädagogen, Journalistinnen und Seelsorgende die Gegenstände unter die Lupe. Vorbild des Buchs ist der 2010 erschienene Bestseller "Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten" vom früheren Direktor des British Museum in London, Neil MacGregor.

Erinnerungen an die letzte Zeche im Ruhrgebiet

Da ist zum Beispiel das große Kreuz auf der Halde Haniel, das aus Spurlatten gemacht ist, also aus langen Balken, die im Bergbau verwendet werden. Es erinnert heute an die vor drei Jahren geschlossene Zeche Prosper-Haniel in Bottrop, das letzte aktive Steinkohle-Bergwerk im Ruhrgebiet.

1987 sprach Papst Johannes Paul II. während eines Deutschlandbesuchs unter dem Spurlattenkreuz auf der Halde über die Würde menschlicher Arbeit. 1992 ließ es der Essener Bischof Hubert Luthe (1927-2014) wieder aufbauen. Später kam ein Kreuzweg auf der Halde hinzu.

Auf den Spuren des Usprungs

Das Ruhrbistum, das 1958 gegründet wurde und aus Teilen der Diözesen Köln, Münster und Paderborn hervorging, habe von Beginn an auf die enge Verbindung von Kirche und Bergbau gesetzt, so der Autor des entsprechenden Aufsatzes im Buch. "Bewusst wollte die Kirche den Arbeitern in Bergbau und Industrie nahe sein."

Dass die Ursprünge des Bistums Essen aber viel weiter zurückreichen, zeigt ein weiterer Aufsatz über ein Sammelbildchen, das die "Mutter vom Guten Rat" ziert. 2015 erschien ein Sammelalbum rund um Essen mit 312 Aufklebern. Einer zeigt die Goldene Madonna im Essener Dom. Die Figur, die um 980 entstand, zählt zu den weltweit frühesten vollplastischen Darstellungen der Muttergottes mit Kind. Sie verkörperte zunächst eine der Kirchenpatrone des mächtigen Essener Frauenstifts, aus dem später die Stadt Essen hervorgehen sollte. Heute ist die Goldene Madonna oder "Mutter vom Guten Rat" die Schutzheilige des Ruhrbistums.

Der Papst-Lolli und seine Geschichte

Die reizvolle Idee, Kirchengeschichte anhand von Objekten zu erzählen, können die Autorinnen und Autoren nicht ganz durchhalten. Der Papst-Lolli, der im Buch beschrieben wird, fand während der Deutschlandreise von Johannes Paul II. 1987 zwar auch im Bistum Essen Beachtung.

Erfunden hatte ihn jedoch der Süßwarenhändler Rolf Reinhardt aus dem niederrheinischen Kevelaer im Nachbarbistum Münster. Aus 20.000 Fehldrucken einer Papst-Broschüre ließ er das Bildnis Johannes Pauls II. ausschneiden und zwischen Lutscher und Folie stecken. Fertig war die Süßigkeit - und ein handfester Aufreger. Von Empörung bis Belustigung reichten die Reaktionen.

Persönliche Geschichten auf der Mitmach-Seite im Netz

Zudem sind einige "Objekte" im Buch wohl eher "Orte" - zum Beispiel die Essener Dominsel, also ein Ensemble von Kirchenbauten im Stadtkern, oder die frühere Heilig-Kreuz-Kirche in Gelsenkirchen-Ückendorf, die heute als Multifunktionshaus im Viertel dient. Trotzdem ist die Idee, die Historie des Ruhrbistums anhand von Objekten zu erzählen, pfiffig und passt zum Ruf der Diözese, medial besonders experimentierfreudig zu sein. Insofern könnte das Buch selbst als Objekt Nummer 31 gelten, das eine Zuschreibung untermauert und das Bild des Bistums vervollständigt.

Wer nach der Lektüre noch mehr Anekdoten lesen möchte, den verweist das Herausgeberteam auf die Mitmach-Seite www.bistumsgeschichte.ruhr. Selbst hochgeladene Fotos erzählen hier persönliche Geschichten zum Bistum Essen.


Quelle:
KNA