Vizekanzler und Sozialbischof bekräftigen Nein zu Transitzonen

"Mauern dürfen wir nicht bauen"

Der katholische Sozialbischof Overbeck hat sich gegen Transitzonen und für Flüchtlinge ausgesprochen. Menschen dürften nicht gefangen gehalten werden, sagte er im domradio.de-Interview.

Vizekanzler Gabriel und Bischof Overbeck (Bistum Essen)
Vizekanzler Gabriel und Bischof Overbeck / ( Bistum Essen )

domradio.de: Hatten Sie gestern beim Podiumsgespräch im katholischen Tagungshaus „Die Wolfsburg“ das Gefühl, Vizekanzler  Sigmar Gabriel war mental ganz da oder war er gedanklich schon in der Koalitionsrunde, die morgen ansteht?

Bischof Overbeck: Er war gedanklich voll da und er ist auch gerne extra aus Berlin zu uns gekommen. Den Termin hatten wir lange vereinbart.  Es ging nicht nur ums Thema Flüchtlinge,  sondern auch um Bildungsfragen, Beteiligungfragen angesichts der Wirtschaftsentwicklung unserer Ruhrregion. Aber wir haben das, glaube ich, im Blick vor allen Dingen auf die Flüchtlingsfrage, die natürlich obenauf liegt, gestern zu einem guten, perspektivenreichen Gespräch machen können.

domradio.de: Ein heikles Thema waren natürlich die Transitzonen. Gegen die haben Sie sich gestern bei der Veranstaltung ausgesprochen. Das ist ein Modell, das von den Unionsparteien vorgeschlagen wurde. Warum sind Sie dagegen?

Bischof Overbeck: Ich habe im Blick auf die Transitzonen und auch auf die Einreisezentren gefragt, ausgehend von dem, was die Sprache uns deutlich macht, ob es angesagt wäre, angesichts der Flüchtlinge, die ja aus Not und Elend heraus zu uns kommen, Transitzonen zu errichten. Es geht um die Frage, wie sich die Menschen, die dann in diesen so genannten Transitzonen leben sollen, eigentlich vorkommen. Gleichsam kaserniert in Form von Lagern, denen sie gerade entkommen sind. Und beim Einreisezentrum habe ich zugespitzt gefragt, um welche Form von Reise es sich denn handle. Jedenfalls keine, die der Minister und ich machen können. Sondern es sei eine schwierige Überfahrt in eine neue Welt.

domradio.de: Apropos Sprache: Sie haben gestern einen harten Vergleich gemacht bezüglich der Transitzonen. Die Flüchtlinge müssten sich dort vorkommen, wie in Konzentrationslagern. Warum haben Sie das gesagt?

Bischof Overbeck: Die Art und Weise, wie Menschen dort behandelt und abgeschlossen werden ließ mich - und auch andere Leute aus dem Ruhrgebiet -  sofort daran denken, dass es so etwas sein könnte. Ich will nicht sagen, dass es so etwas ist. Ich wollte darauf hinweisen, dass wir uns so etwas auf keinen Fall erlauben können. Und mir ist zweitens sehr daran gelegen, dass bei allen Schwierigkeiten, die ich kenne, und bei den Ängsten der Bevölkerung, wie deutlich zu machen haben, dass wir den Opfern von Gewalt helfen müssen. Da gibt es nichts, was dagegen sein kann und darf und von daher muss man bei solchen Lösungen sehr vorsichtig sein. Und drittens werde ich nicht müde darauf hinzuweisen: Mauern dürfen wir nicht bauen! Und wenn wir solche Zonen einrichten, sind das wieder Mauern, die wir bauen. Die werden alle wieder mit Mühe abgebaut und vorher noch mehr Opfer generieren.

domradio.de: Wie soll man es sonst regeln? Morgen treffen sich die Koalitionsspitzen mit den Ministerpräsidenten. Alle sagen, dass Kompromisse gefunden werden. War für Sie gestern in irgendeiner Form erkennbar, welche das sein könnten?

Bischof Overbeck: Das ist eine politische Frage, die zu lösen ist.  Die Aufgabe des Bischofs ist da eine ethische. Eine die zeigen soll, wo es auf keinen Fall hingehen darf wenn es um die Würde des Menschen geht. Da ist im Blick auf die Frage der Asylanten, glaube ich, schon deutlich, dass man sagen muss: Wer wirklich mit einem gerechten Asylgrund hier ist, auf den wird das Asylrecht angewandt - der kann entsprechend mit einer Bleibe rechnen. Bei den Vielen, bei denen klar ist, wenn sie aus den so genannten sicheren Herkunftsländern stammen oder auf dem Balkan notwendig gebraucht werden, beim Aufbau ihres eigenen Heimatlandes, dann ist es gut, dass sie wieder zurückkehren. Und bei den vielen Kriegsflüchtlingen muss, denke ich, eine neue Form der internationalen Solidarität in Europa und darüber hinaus entwickelt werden. Sonst wird das Problem, das wir jetzt schon mit den Syrern und den irakischen Flüchtlingen haben, noch größer werden. Wir brauchen nur an Afghanistan denken und die Menschen, die von dort kommen, vielleicht auch noch aus Pakistan und anderen Ländern. Mir scheint, dass da die Politik noch immer auf der Suche ist. Die beiden von ihnen genannten Lösungsversuche sind ja ein Signal dafür, wie schwierig es ist.

Das Interview führte Daniel Hauser