Bistum Münster: Fehler bei Bischof Lettmann im Umgang mit Missbrauch

Versetzung trotz Verurteilung

Im Münsterland schlägt der Fall des Priesters Heinz Pottbäcker hohe Wellen. Auf sein Konto gehen zahlreiche Missbrauchsfälle. Das Bistum Münster sieht beim früheren Bischof Lettmann Fehler im Umgang mit sexuellem Missbrauch.

Autor/in:
Andreas Otto
 St.-Paulus-Dom in Münster / ©  Friso Gentsch (dpa)
St.-Paulus-Dom in Münster / © Friso Gentsch ( dpa )

Missbrauchs-Aufarbeitung an und mit der Kirchenbasis: Einen neuen Weg hat das Bistum Münster eingeschlagen, um die Umtriebe eines pädophilen Geistlichen aufzuklären. In der Gemeinde "Zur heiligen Familie" in Rhede im westlichen Münsterland - eine frühere Wirkungsstätte des Priesters - rollen Verantwortliche der Diözese am Dienstagabend bei einer "Informationsveranstaltung" den Fall auf. Um über die schon bekannten Taten von Heinz Pottbäcker zu reden. Und um noch unbekannten Opfern Gelegenheit zum Reden zu geben.

Geistlicher wurde häufig versetzt

Der 2007 verstorbene Pottbäcker ist ein Negativbeispiel dafür, wie die katholische Kirche in Deutschland allzu häufig Missbrauchsfälle gehandhabt hat. Seine Biografie weist rund ein Dutzend Seelsorge- und Wohnorte auf. Die häufigen Versetzungen in der mehr als 30-jährigen "Karriere" des Geistlichen hatten immer wieder denselben Grund, erläutert das ehemalige Mitglied der diözesanen Missbrauchskommission, Hermann Kahler: Pottbäcker hielt sich nicht an die Auflage, sich von Kindern fern zu halten. Erst mit 58 Jahren wurde er 1995 in den vorzeitigen, aber viel zu späten Ruhestand versetzt.

Schon vier Jahre nach der Priesterweihe verurteilte ihn das Landgericht Bochum 1968 wegen "Unzucht mit einem Kind" zu neun Monaten Gefängnis auf Bewährung. Der Missbrauch war in der zweiten Gemeinde Pottbäckers in Waltrop geschehen. Das Pikante: Trotz dieser Verurteilung bekam er 1971 eine neue Stelle - eben als Kaplan in Rhede. Die lückenhafte Personalakte gibt nicht viel her. Aber ein Dokument belegt klar, dass Reinhard Lettmann an dieser Versetzung mitgewirkt hat. Er war damals Generalvikar der Diözese, bevor er Weihbischof und dann für 28 Jahre Bischof wurde.

Stellvertretender Generalvikar: Große Schuld der Verantwortlichen

An dem Abend nimmt der heutige stellvertretende Generalvikar Jochen Reidegeld kein Blatt vor den Mund: Er spricht von einer großen Schuld der Verantwortlichen. "Kinder wurden zu Opfern von Heinz Pottbäcker und hätten es nicht werden müssen." Der Gedanke, den Priester ganz aus dem Dienst der Kirche zu nehmen, sei nie gekommen.

Was Rhede anbetrifft, hat das Bistum Kenntnis von vier Betroffenen. Einer regte die Aufarbeitung vor Ort an. Allein die Terminankündigung bewirkte, dass sich seit vergangener Woche zwei weitere Opfer meldeten. Ein Mann berichtet, dass sich Pottbäcker auch seinem Bruder genähert habe. Trotz allem war der Geistliche auch beliebt, wie Kahler ausführt. Als es zu Beginn der 1980er Jahre erneut Ermittlungen gegen Pottbäcker gab und er seine Pfarrstelle in Recklinghausen aufgab, solidarisierten sich viele Leserbriefschreiber mit ihm. Immerhin habe er eine Band gegründet und Zeltlager organisiert, hieß es. Das Gericht hatte andere Erkenntnisse: Pottbäcker musste wegen Missbrauchs von drei Jungen 12.000 Mark zahlen.

Missbrauchskommission: Inkomeptenz der Bistumsleitung

Für Kahler belegt der Fall die Inkompetenz der Bistumsleitung: Kontrolle, disziplinarische Maßnahmen oder eine Bewährungshilfe? Fehlanzeige.

Versagen gab es aber auch anderswo: Ein Opfer berichtet von Übergriffen Pottbäckers im Zeltlager. Von seinen Neigungen hätten dort viele gewusst - und sogar dafür gesorgt, dass sie befriedigt wurden. Laut Reidegeld steht die Aufarbeitung erst am Anfang. Weil die Personalakten unvollständig seien, sollen nun sämtliche andere Bistumsakten, darunter Protokolle von Personalkonferenzen oder die Korrespondenz der Bischöfe, durchforstet werden - und zwar durch unabhängige Dritte. Ein Riesenaufwand.

Bischof Genn: Bitte um Vergebung

Für die Fehler der "kirchlichen Verantwortungsträger" bittet Münsters Bischof Felix Genn in einer verlesenen Stellungnahme um Vergebung. Den Namen seines 2013 verstorbenen Amtsvorgängers Lettmann erwähnt er aber nicht.

Reidegeld räumt ein, wie schwer es ihm fällt, das Bild des zugewandten Bischofs mit dessen Entscheidung zu Pottbäcker in Einklang zu bringen.

Generalvikar: Mehr Frauen in Kirchenämter

An dem Abend erhält Reidegeld Applaus vor allem für eine Forderung: Frauen müssten bald Zugang zu allen kirchlichen Ämtern bekommen; denn die "Männerbünde" in der katholischen Kirche seien eine Ursache von Vertuschung des Missbrauchs. Nach Veranstaltungsende tritt ein Mann auf ihn zu: Ein weiteres Opfer outet sich.


Quelle:
KNA