EuGH stuft Aufenthalt in ungarischer Transitzone als "Haft" ein

Verloren im Transitbereich

Der Europäische Gerichtshof stuft die Unterbringung von Asylbewerbern in der ungarischen Transitzone Röszke als "Haft" ein. Die Asylbewerber könnten die Zone aus eigenen Stücken nicht legal verlassen, heißt es im Urteil. 

Hand eines Asylbewerbers hinter Maschendrahtzaun / © Jens Büttner (dpa)
Hand eines Asylbewerbers hinter Maschendrahtzaun / © Jens Büttner ( dpa )

In dem am Donnerstag in Luxemburg veröffentlichten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) heißt es: "Die Bedingungen, wie sie in der Transitzone vorherrschten, sind einer Freiheitsentziehung gleichzusetzen".

Die Personen könnten die Transitzone aus eigenen Stücken nicht legal verlassen. Bei einer Rückkehr nach Serbien drohten ihnen Sanktionen. Zudem würden Asylbewerber in Ungarn damit "jegliche Aussicht auf Anerkennung als Flüchtling in Ungarn" verlieren.

Asylanträge in Transitzonen innerhalb von vier Wochen entscheiden

Die Richter führten weiter aus, dass Asylbewerber nur in Haft genommen werden dürften, wenn vorher eine entsprechende Anordnung getroffen wurde. Darin müssten die Gründe für die Haft angegeben sein, die erforderlich und verhältnismäßig sein müsse.

Dass Asylbewerber nicht für ihren Unterhalt sorgen können oder eine Abschiebeentscheidung seien allein kein Grund für eine Haft laut Artikel 15 der Rückführungsrichtlinie, so der EuGH. Ergebe eine gerichtliche Überprüfung, dass die Person ohne "gültigen Grund" in Haft genommen wurde, müsse die Justiz sie "unverzüglich" freilassen.

Der EuGH stellte jedoch klar, dass EU-Mitgliedstaaten Schutzsuchende zwingen könnten an der Grenze oder in Transitzonen des Mitgliedstaats zu bleiben, um die Zulässigkeit des Asylantrags zu überprüfen. Eine Entscheidung müsse jedoch innerhalb von vier Wochen ergehen.

Einreise über "sicheres Transitland" darf nicht zur Abweisung führen

Geklagt hatten zwei Iraner und zwei Afghanen, die seit 2018 beziehungsweise 2019 in der Transitzone Röszke leben müssen. Ein ungarisches Gericht hatte nun beim EuGH angefragt, ob die Unterbringung von Asylbewerbern in der Transitzone an der ungarisch-serbischen Grenze als "Haft" einzustufen sei.

Die Asylanträge der vier Männer waren von Ungarn als "unzulässig" eingestuft worden, weil sie über das "sichere Transitland" Serbien eingereist seien. Der EU-Generalanwalt Priit Pikamäe stellte in den Schlussfolgerungen klar, dass die Einreise über ein "sicheres Transitland" kein Grund für eine Abweisung eines Asylantrags laut den europäischen Asylregeln sei.

Die Fraktion der Grünen im Bundestag erklärte dazu, das Urteil zeige, dass die Rechte von Schutzsuchenden in der Europäischen Union nicht nach Gutdünken geschleift werden dürften. Das müsse auch die Bundesregierung zur Kenntnis nehmen und klare Worte der Kritik für den menschenfeindlichen Kurs des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbans finden.

Geschlossene Unterbringung an Außengrenzen verstößt gegen EU-Recht 

Die jüngsten Vorschläge des Bundesinnenministeriums zur Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems sähen geschlossene Einrichtungen an den europäischen Außengrenzen zur Durchführung von so genannten Vorprüfungen vor, so die Grünen weiter.

Doch gerade die Unterbringung in geschlossenen Lagern ohne vorherige Anordnung und ohne triftigen Grund hätten die Richter als Verstoß gegen geltendes EU-Recht gewertet. Die Bundesregierung müsse deshalb ihre Vorschläge dem Urteil anpassen und endlich tragfähig und europarechtskonform gestalten.


Quelle:
KNA
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