"Lasst es uns einfach tun", fordert Franz Alt. Die Menschen müssten nicht auf ein Tempolimit warten, um ihre Geschwindigkeit zu reduzieren oder auf andere Verkehrsmittel umzusteigen. Dass sich die Deutschen mit dem Tempolimit so schwer tun führt Alt auf die Autolobby zurück, aber auch auf das irrationale Verhältnis, besonders der Männer, zum Auto.
Vorsichtiger Meinungswandel
Umwelt- und Verkehrspolitiker der Koalition drängen trotz des Neins der Kanzlerin auf Tempo 130 auf deutschen Autobahnen. "Es muss jetzt Gespräche mit der Union geben", sagte die Verkehrsexpertin der SPD, Heidi Wright, der "Berliner Zeitung". Sie erwarte, dass Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Umweltminister Sigmar Gabriel (beide SPD) das Votum des jüngsten SPD-Parteitages entschlossen vertreten.
Der CSU-Umweltexperte Josef Göppel sagte, er beobachte in der Union einen "vorsichtigen Meinungswandel" beim Thema. "Sollte die EU Druck auf Deutschland ausüben, gibt es in der Union eine steigende Bereitschaft, sich beim Tempolimit zu bewegen", sagte der Bundestagsabgeordnete. Tiefensee müsse seinen Parteitagsbeschluss ernst nehmen und jetzt auf die Union zugehen.
130 bringt mehr als Gebäudesamierung
Göppel wies darauf hin, dass Tempo 130 für den Klimaschutz mehr bringe als das von der Bundesregierung beschlossene Gebäudesanierungsprogramm. Dieses koste eine Milliarde Euro im Jahr, spare aber nur eine Millionen Tonnen CO2 ein. Tempo 130 dagegen koste nichts und spare 2,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr. Er sei überzeugt davon, dass es über kurz oder lang ein Tempolimit in Deutschland geben werde, sagte Göppel.
Der Präsident des Verbandes der Autoindustrie (VdA), Matthias Wissmann, weist den SPD-Vorschlag für ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen energisch zurück. "Ein generelles Tempolimit ist reine Symbolpolitik, es würde weder einen spürbaren Beitrag zum Klimaschutz noch zur Steigerung der Verkehrssicherheit leisten", sagte Wissmann den "Ruhr Nachrichten". Sogar ein Limit von 120 Stundenkilometern würde lediglich zwei Prozent der Emissionen im deutschen Straßenverkehr einsparen. "Bei einem Tempolimit von 130 Stundenkilometern dürfte von einem reinen `Null-Effekt auszugehen sein", sagte Wissmann.
Die SPD-Bundestagsfraktion will das von der Parteibasis verlangte generelle Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen schon bald im Bundestag auf den Weg bringen. "Wir wollen den Parteitagsbeschluss umsetzen", sagte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber der "Passauer Neuen Presse" (Dienstagsausgabe). In der nächsten Woche werde die Fraktionsspitze mit der Vorbereitung einer entsprechenden Initiative beginnen, die dann mit der Union besprochen und so schnell wie möglich in den Bundestag eingebracht werden solle.
"Die Union muss sich klar werden, was sie eigentlich will", sagte Kelber. Es könne nicht sein, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Tempolimit ablehne, während sich Abgeordnete der Unionsfraktion für dessen Einführung aussprächen. Er wisse von "gut einem Dutzend Abgeordneten der Union", die Anhänger einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen seien.
VCD: Weniger Staus durch Tempolimit
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat die ablehnende Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem bundesweiten Tempolimit auf Autobahnen scharf kritisiert. Wenn die "selbst ernannte Klimakanzlerin" diese Maßnahme kategorisch ablehne, zeige sich, wie halbherzig sie ihre Klimastrategie verfolge, sagte der VCD-Bundesvorsitzende Michael Gehrmann am Montag in Berlin. Laut VCD könnte mit einem Tempolimit von 120 Stundenkilometern in Deutschland der Schadstoffaustausch um jährlich rund drei Millionen Tonnen Kohlendioxid verringert werden.
Es zeuge zudem von erstaunlicher Unkenntnis, wenn die Kanzlerin ein Tempolimit mit mehr Staus gleichsetze, sagte Gehrmann. Die Verkehrswissenschaft habe große Geschwindigkeitsunterschiede, wie sie auf Autobahnen ohne Tempolimit herrschen, als einen Hauptfaktor für die Entstehung von Verkehrsstaus identifiziert. Durch ein Tempolimit ließe sich außerdem die Sicherheit auf den Schnellstraßen erhöhen. "Alles spricht also für eine Geschwindigkeitsbegrenzung", fügte Gehrmann hinzu.
Verkehrsexperten begrüßen Tempo 130 - hohe CO2-Einsparungen möglich
Rasen - die Freiheit der Deutschen
Viele Verkehrstote könnten vermieden werden, außerdem zehntausende Verletzte und 2,5 Millionen Tonnen CO2 würden auch noch eingespart - wenn wir in Deutschland ein Tempolimit hätten. Jetzt hat es die SPD es wieder in die Diskussion gebracht. Der Beschluss des SPD-Parteitages dürfe nicht folgenlos bleiben, fordert der SPD-Umweltexperte Hermann Scheer, doch genau danach sieht es aus. Erst im September war ein Antrag der Grünen zum Tempolimit im Bundestag gescheitert. "Ist die ganze Welt blöd, oder nur wir?", fragt Franz Alt im domradio-Interview. Etwas irrationaleres als unser Verhältnis zum Auto gäbe es nicht.
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