Grelles Licht fällt in Isabellas kleine schwarze Kugelaugen. Immer weiter zieht jemand das weiße Handtuch von ihr weg, das sie bis eben noch warm und sicher gehalten hat. Schnell bewegt sie ihre Stupsnase, sodass ihre Tasthaare hin- und herwackeln. Jetzt erstmal orientieren, wo man ist.
Denn Isabella hat seit Samstag ein neues Quartier in der Auffangstation für Igel, Eichhörnchen, Singvögel und Bilche in Köln-Porz. Die Plastikbox "12e" ist so groß wie zwei Schuhkartons und ihr Zuhause. Dort kann sich die untergewichtige und dehydrierte Igeldame ausruhen, Soldatenfliegenlarven und Katzenfutter verspeisen und so zu Kräften kommen.
Auch wenn Isabellas altes Zuhause deutlich größer gewesen ist als die Box der Tier-Notaufnahme, ist es für sie dort viel gefährlicher gewesen. Es war alles zugemauert. Einen Unterschlupf suchte sie vergeblich und auch Insekten gab es kaum. Denn Isabella hatte sich in den Kölner Dom verirrt.
Fundort: Kölner Dom
Angeschmiegt an das Kölner Domgemäuer hatte sich Isabella zusammengerollt. Zwischen einer dunkelroten Kehrschaufel und einem Türscharnier aus Eisen. Dort wurde sie am Samstag entdeckt.
Die Tierrettung Köln-Porz hat die Insektenfresserin im Dom in Obhut genommen und zu einer Auffangstation gebracht, die unter anderem eine Igel-Station hat.
"Wir sind hier quasi eine tierische Notaufnahme", sagt Robert Schallehn, Geschäftsführer des Umweltbildungszentrums Gut Leidenhausen im Südosten von Köln. Hier werden neben Igeln auch Eichhörnchen, Vögel und kleine Nagetiere wieder gesund gepflegt und aufgepäppelt. Die Tiere, die zu ihnen gebracht werden, sind meist unterernährt oder verletzt.
Aus "Isaak" wird die "Heilige Isabella"
Manuela Kaiser greift vorsichtig in das Plastik-Häuschen, in dem Isabella liegt und hebt sie hoch. "Komm, jetzt schauen wir mal, ob du zugenommen hast", sagt die ehrenamtliche Tierpflegerin. Sie legt Isabella mit dem Rücken auf eine Waage. Doch die Igel-Dame hat scheinbar keine Lust, sich wiegen zu lassen.
"Junge Igel zappeln meistens viel, da brauche ich eine Schale", sagt Frau Kaiser. Sie holt eine Metallschüssel und legt dort Isabella hinein. 572 Gramm zeigt die Waage an. Immerhin sechs Gramm mehr als vor drei Tagen, als sie gebracht wurde. Aber noch weit entfernt von den 800 bis 1.200 Gramm, die ausgewachsene Igel auf die Waage bringen.
Isabella genießt als "Dom-Igel" unter den 55 Igeln, die gerade auf der Station sind, einen kleinen Sonderstatus. Die Tierpfleger, die sie gebracht hatten, dachten, Isabella ist ein Junge und nannten sie "Isaak". Doch in der Auffangstation haben sie festgestellt, dass Isaak eine Igeldame ist. Wegen ihres Fundorts haben sie ihr hier den Namen "Heilige Isabella" gegeben.
Kein Zurück zum Dom
"Das ist unser erstes Tier vom Kölner Dom", erzählt Robert Schallehn. Aber auch wenn Igel Reviertiere sind und in der Regel dort ausgesetzt werden, wo sie gefunden wurden, ist das hier nicht möglich. "Sie würden wir jetzt natürlich nicht mehr im Dom aussetzen", sagt Herr Schallehn.
Weil sie beim Umweltbildungszentrum auf Spenden angewiesen sind, brauchen sie auch hier Unterstützung aus der Bevölkerung. Isabella werde zwar noch einige Wochen brauchen, bis sie fit genug sei, sagt der Geschäftsführer, aber dann würde sie in einen privaten Garten umziehen dürfen und dort ihr neues Revier aufbauen. "Vielleicht hilft uns ja die Dombaumeisterin Frau Schock-Werner weiter", sagt Robert Schallehn und lächelt.
Darum braucht sich Isabella nicht zu kümmern. Sie hat es erst einmal geschafft. Nach dem Wiegen wird sie von ihrer Pflegerin in ihre Box gesetzt und mit einem weißen Handtuch zugedeckt. Die Box wird langsam nach hinten geschoben und die Türe verriegelt. Jetzt ist es dunkel und Isabella kann sich weiter ausruhen.