Flüchtlingsrat fordert rasche Schließung von Ankerzentren

"Verbessert hat sich überhaupt nichts"

Eingeführt wurden sie vor allem, um die Bearbeitung von Asylanträgen zu beschleunigen. Doch die Ankerzentren fallen bei einer Bestandsaufnahme des Bayerischen Flüchtlingsrates durch. Dieser rät zu einer schnellen Schließung der Lager.

Flüchtling in einem Ankerzentrum / © Stefan Puchner (dpa)
Flüchtling in einem Ankerzentrum / © Stefan Puchner ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Erstaufnahmeeinrichtungen und Transitzentren wurden am 1. August 2018 in Ankerzentren umbenannt. Da gab es zunächst einmal Diskussionen über den Namen. Aber haben sich insgesamt denn die Verfahren - wie versprochen - für Hilfesuchende damit beschleunigt und verbessert?

Alexander Thal (Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrates): Beschleunigt hat sich nichts. Die Verfahren haben damals auch schon ungefähr drei Monate im Schnitt gedauert. Das ist nicht den Ankerzentren geschuldet, sondern dem aufgestockten Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Verbessert haben sich die Verfahren auf gar keinen Fall. Die Flüchtlinge sind in den Lagern von einer Rechtsberatung abgeschnitten. Es gibt keine unabhängige Verfahrensberatung. Ganz viele schaffen es auch überhaupt nicht, ihre wirklichen Fluchtgründe vorzubringen, weil es einfach in dem Schnellverfahren untergeht.

DOMRADIO.DE: Sie haben es schon umrissen. Mit der angekündigten unabhängigen Verfahrens- und Rechtsberatung sieht es auch nicht aus wie angekündigt?

Thal: Es gibt inzwischen eine Verfahrensberatung durch Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, durch frühere Entscheider, die jetzt freigestellt werden. Aber die können natürlich in gar keinem Fall eine unabhängige Beratung gewährleisten und können auch nicht wirklich individuell beraten, denn dann würden sie gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen.

Es ist ein schwieriges Konstrukt, das vor allem dafür da ist, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Eine richtige Verfahrensberatung findet in den Ankerzentren nicht statt.

DOMRADIO.DE: Wie sieht es mit der Unterbringung der Flüchtlinge aus? Auch die sollte verbessert werden. Ist das passiert?

Thal: Verbessert hat sich auch da überhaupt nichts. Es sind exakt dieselben Unterkünfte wie vorher. Wir haben es hier mit großen Lagern zu tun. Mindestens 500 bis hin zu 1.500 Personen leben in Mehrbett-Zimmern mit Gemeinschaftsküchen, Gemeinschaftsbädern, Gemeinschaftstoiletten und Kantinenversorgung.

Die Menschen sitzen dort nicht nur ein, zwei oder drei Monate, wie die Innenminister immer behaupten, sondern durchschnittlich deutlich länger - teilweise schon seit zwei Jahren. Es rührt sich bei vielen einfach nichts und sie werden auf absehbare Zeit dort drin bleiben.

DOMRADIO.DE: Also weit entfernt von einem fairem Asylverfahren?

Thal: Ja. Das gibt es nicht. Es ist faktisch abgestellt. Wir sehen es an den Anerkennungsquoten. Die sind in Bayern von allen Bundesländern, die hier bearbeitet werden, deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

DOMRADIO.DE: Am kommenden Freitag werden Bewohner eines Ankerzentrums in Ingolstadt gegen eben dieses Zentrum protestieren. Gegen was genau protestieren diese Menschen? Was wird dann wohl passieren?

Thal: Ich gehe mal davon aus, dass eine große Zahl der Bewohner in die Innenstadt geht, weil die einfach alle dermaßen frustriert und genervt sind, dass sie es nicht mehr aushalten. Ganz viele Menschen leben in Manching, in Ingolstadt seit zwei, teilweise schon seit drei Jahren in diesen großen Lagern. Das macht die Menschen psychisch kaputt. Das hält niemand mit Arbeitsverboten, Residenzpflicht, ohne Deutschkurse und mit allerhand Schikanen durch die Behörden aus. Das treibt die Menschen dazu, auf die Straße zu gehen und ihre Rechte einzufordern.

Ich halte es absolut für notwendig, dass hier wirklich Veränderungen passieren und diese Ankerzentren geschlossen werden.

DOMRADIO.DE: Was müsste jetzt aus Ihrer Sicht von politischer Seite kommen?

Thal: Man muss sich einfach eingestehen, dass große Lager nichts sind, wo man Menschen auf Dauer unterbringen kann. Das macht die Menschen kaputt. Das schürt Konflikte unter den Bewohnern und senkt die Akzeptanz bei den Nachbarn.

Passieren muss, dass man die Zentren sofort schließt und die Flüchtlinge so schnell wie möglich in kleinen Unterkünften unterbringt. Erst dann wird sich die Situation beruhigen. Auch der Stress bei den Nachbarn, bei den Anwohnern, der Unmut über diese großen Lager wird sich dann auch runterkochen.

Möglicherweise wird dann auch die AfD den einen oder anderen Wähler verlieren.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Flüchtlingskinder spielen vor einer Unterkunft / © Uwe Anspach (dpa)
Flüchtlingskinder spielen vor einer Unterkunft / © Uwe Anspach ( dpa )

Ankerzentrum in Machning / © Stefan Puchner (dpa)
Ankerzentrum in Machning / © Stefan Puchner ( dpa )

Ankerzentrum Bamberg / © Nicolas Armer (dpa)
Ankerzentrum Bamberg / © Nicolas Armer ( dpa )
Quelle:
DR
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