Vatikanexperte erläutert italienische Adventsbräuche

Schäfer, ein Papst und ein Weihnachtslied

In der Vorweihnachtszeit findet man in Deutschland Weihnachtsmärkte, Adventskalender und Adventskränze. Das Weihnachtsbrauchtum in Deutschland ist groß. Aber wie ist das eigentlich im Vatikan? Ulrich Nersinger gibt einen Überblick.

Archivbild: Eine Weihnachtskugel hängt am Weihnachtsbaum vor dem Petersdom in der Advents- und Weihnachtszeit / © Daniel Ibanez/Romano Siciliani (KNA)
Archivbild: Eine Weihnachtskugel hängt am Weihnachtsbaum vor dem Petersdom in der Advents- und Weihnachtszeit / © Daniel Ibanez/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ist der Vatikan schon mit Lichterketten geschmückt? 

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Noch nicht so ganz, denn die Bräuche, die wir aus unseren Gegenden kennen, sind in Rom und Italien noch nicht so verbreitet. 

In den letzten Jahren und Jahrzehnten kommt immer mehr aus den anderen europäischen Ländern herüber. Wir haben aber eigentlich ältere Bräuche in Rom. 

DOMRADIO.DE: Bei einem dieser italienischen Bräuche, den man heute gar nicht mehr so kennt, spielen Musiker, die Pifferari eine Rolle. Was hat es mit denen auf sich? 

Nersinger: Die Pifferari waren Schäfer, die aus der Umgegend von Rom, aus Latium, in der Adventszeit nach Rom kamen und dort Musik gemacht haben. Natürlich war das auch verbunden mit der Hoffnung, dass sie sich damit einen kleinen Obolus verdienen konnten. Das war so in Rom und auch in Neapel üblich. 

DOMRADIO.DE: Und die kamen nur zur Weihnachtszeit? 

Nersinger: Die kamen in der Regel nur zur Adventszeit herunter. Und dann blieben sie noch ein, zwei Wochen nach Weihnachten. 

DOMRADIO.DE: Was haben die denn gespielt? 

Ulrich Nersinger

"In der Kaiserzeit führte der Philosoph Seneca einmal Klage darüber, dass ein Dudelsackpfeifer mehr Zuhörer um sich herum versammle, als ein Philosoph." 

Nersinger:  Es gab zwei Instrumente, die sie benutzten. Das waren zum einen die Schalmei und zum anderen der Dudelsack. Das waren typische Instrumente, die in der Gegend üblich waren. Das sind ja auch sehr alte Instrumente. 

Der Dudelsack findet sich schon beim Propheten Daniel erwähnt. Auch in der Kaiserzeit führte der Philosoph Seneca einmal Klage darüber, dass ein Dudelsackpfeifer mehr Zuhörer um sich herum versammle als ein Philosoph. 

DOMRADIO.DE: Von dieser Musik waren nicht alle so begeistert. Was gab es da zu meckern? 

Nersinger: Die sind sehr früh aufgetreten jeden Morgen. Teilweise schon um vier oder fünf Uhr. Es gibt einen Bericht von dem berühmten französischen Dichter Stendhal, der auch gleichzeitig Konsul Frankreichs im Kirchenstaat war. Und er hat sich sehr bitter über diese Musik beklagt. Er konnte damit gar nichts anfangen. 

Er schrieb dann einmal, seit 14 Tagen würden sie um vier Uhr früh von den Pifferari geweckt, die Leute würden einem die Musik verleiden und es seien Bauerntölpel, die aus dem Gebirge kommen. Er erwähnte, dass auch Papst Leo XII. ihnen nach seiner Thronbesteigung untersagt habe, seine Untertanen vor vier Uhr aufzuwecken. 

Aus den Quellen gibt es auch einen Bericht, dass Stendhal einmal so wütend gewesen sein muss, dass er das Fenster seines Hauses geöffnet hat und über den Pifferari seinen Nachttopf ausgeleert hat. 

DOMRADIO.DE: Haben die Pifferari damit aufgehört nach der Nachttopf-Aktion oder wann haben die ihr Spiel eingestellt? 

Nersinger: Dazu schweigen die Quellen. Ich vermute aber, dass sie sehr schnell von diesem Haus weggezogen sind. 

DOMRADIO.DE: Es gibt ja auch eine musikalische Verbindung zwischen den Pifferari und einem Papst. Was hat es damit auf sich?

Ulrich Nersinger

"Und dann hat Papst Pius XI. Selbst zur Feder gegriffen, und eine neue Textversion geschaffen."

Nersinger: Den Papst und die Pifferari verbindet Italiens berühmtes Weihnachtslied “Tu scendi dalla stelle”. Die Melodie entstammte der Tradition der Pifferari und wurde vom Heiligen Alphons Maria von Liguori im 18. Jahrhundert geschaffen. Er hat auch den Text geschrieben in einem neapolitanischen Dialekt, der konnte sich aber nicht durchsetzen.

Dann hat Papst Pius IX. selbst zur Feder gegriffen und eine neue Textversion geschaffen. So haben wir ein Weihnachtslied in Rom, das von einem Papst neu verfasst worden ist. Dieses Lied wird natürlich heute immer noch gesungen. Wenn sie in Rom sind, wird es zu einem Ohrwurm dieser Tage. 

Sie hören es in den Straßen, Sie hören es in den Kirchen, Sie hören es auch in den Kaufhäusern. Es geht also wirklich ins Ohr hinein. Es ist sehr berührend, aber irgendwann wird man dessen auch ein bisschen überdrüssig. Dann kann man auch einen Stendhal verstehen. Aber Giuseppe Verdi hat einmal gesagt, ein Weihnachten ohne "Tu scendi dalla stelle", also "Du steigst von den Sternen herab", ist kein Weihnachten. 

DOMRADIO.DE: Gibt es die Pifferari heute noch? 

Nersinger: Es gibt historische Vereinigungen, die diese Tradition aufrechterhalten. Bis vor kurzem war es noch so, dass die Pifferari immer zur letzten Generalaudienz gekommen sind, die der Papst vor dem Weihnachtsfest gegeben hat. 

Ich weiß nicht, ob das auch diesen Monat wieder geschieht, aber sie brachten dem Papst und den Teilnehmern immer ein kleines Ständchen. 

DOMRADIO.DE: Da sieht man ja auch mal, dass sich gute Bräuche auch durchsetzen können. Hat denn der Papst auch so was wie einen Adventskranz? 

Ulrich Nersinger

"Papst Benedikt XVI. wird einen Adventskranz gehabt haben, da bin ich ziemlich sicher."

Nersinger: Adventskranz und Adventskalender sind Erscheinungen im Advent, die man in Italien nicht so kennt. Ich kann auch nicht sagen, wie stark sich das jetzt heute etwas durchgesetzt hat. 

Papst Benedikt XVI. wird einen Adventskranz gehabt haben, da bin ich ziemlich sicher. Ich glaube kaum, dass er darauf verzichtet hat. Er hat ja sehr viel Wert auf solche heimischen Traditionen gelegt. 

Das Interview führte Tim Helssen.

Weihnachten

Weihnachten ist das Fest der Geburt Jesu Christi. Wann genau vor etwa 2.000 Jahren Jesus geboren wurde, ist nicht bekannt. Die Feier des 25. Dezember als Geburtsfest Jesu ist erstmals für das Jahr 336 in Rom bezeugt.

Weihnachten heißt so viel wie heilige, geweihte Nächte. Die Geburt Jesu bedeutet nach christlichem Verständnis die Menschwerdung Gottes; in Jesus hat sich Gott den Menschen mitgeteilt, sich in ihre Geschichte hinein begeben, sich ihrer erbarmt und ihnen Heil geschenkt. Deshalb gilt Weihnachten als Fest der Liebe.

Weihnachtsbaum / © Bernd Weissbrod (dpa)
Weihnachtsbaum / © Bernd Weissbrod ( dpa )
Quelle:
DR