Vatikanexperte beschreibt Feuerwerk-Tradition aus Rom

Großes Spektakel

Raketen gehören für viele zum Silvesterabend dazu. Das spektakulärste Feuerwerk der Welt gab es zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert in Rom. Es hat sogar einen eigenen Namen, die Girandola. Vatikanexperte Ulrich Nersinger weiß mehr.

Feuerwerk am Himmel / © totojang1977 (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Was ist denn das Besondere an diesem Feuerwerk? Wie muss man sich das vorstellen?

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Die Päpste haben es im 15. Jahrhundert eingeführt. Das war ein riesiges Feuerwerk, das auf der Engelsburg entzündet wurde. 

Zunächst zu größeren Festen, also zum Beispiel zum Amtsantritt eines Papstes oder zu Jubiläen, dann aber natürlich auch zu Silvester.

 Es gab ganz berühmte Männer, die das konzipiert haben, also unter anderem Michelangelo und Bernini. Und wenn man dann hörte, wie viele Raketen gezündet wurden, dann ist man auch heute noch beeindruckt. 

Das waren ungefähr 4.500 Raketen. Das muss einen unglaublichen Eindruck auf die Bevölkerung gemacht haben und auch auf berühmte Reisende, die nach Rom kamen.

DOMRADIO.DE: Die allererste Girandola soll am 22. Mai 1410 zu Ehren eines Papstes gezündet worden sein. Was war da los?

Ulrich Nersinger

"Das Konzept haben Michelangelo und Bernini entwickelt."

Nersinger: Die ist noch nicht einmal in Rom gezündet worden, sondern in Bologna. Der Gegenpapst Johannes XXIII. hat die zünden lassen. Dann ist es aber übergewechselt nach Rom zum Jahrestag der Thronbesteigung Sixtus IV. Das hat man in der Zeit zwischen 1471 und 1484 gemacht. Die Girandolas waren noch anfangs kleine Feuerwerke, aber die wurden immer größer. Das Konzept haben eben Michelangelo und Bernini entwickelt. 

Ulrich Nersinger

"Man hat Unsummen dafür gezahlt, ein Zimmer zu bekommen, das in der unmittelbaren Nähe lag."

Charles Dickens, der berühmte britische Dichter, ist einmal – so wie viele seiner Zeitgenossen – extra nach Rom zu diesem Zeitpunkt gekommen, um sich das anzuschauen. Man hat Unsummen dafür gezahlt, ein Zimmer zu bekommen, das in der unmittelbaren Nähe lag. 

Wir wissen aus den Aufzeichnungen von Charles Dickens, dass er sich unter enormen Kosten ein Zimmer genommen hat, das gegenüber der Engelsburg lag - für ein Ereignis, das eine halbe Stunde dauerte.

DOMRADIO.DE: Die Engelsburg in Rom ist zwar in Sichtweite des Vatikans, gehört aber nicht zum Vatikangebiet. Was für eine Verbindung gibt es denn da zwischen dem Feuerwerk und dem Papst?

Nersinger: Das waren ja noch die Zeiten vor 1870, als die Engelsburg noch Teil des Kirchenstaates war. Man muss immer bedenken, dass dieses Feuerwerk natürlich auch mit großen Gefahren verbunden war. 

Die ganze päpstliche Feuerwehr war immer herangezogen worden, um Unfälle zu vermeiden. Und es gab auch immer wieder Unfälle, weil es natürlich ein unglaubliches und gefährliches Unterfangen war, auf das man auch später verzichtet hat. 

Engelsbrücke mit Engelsburg in der Abenddämmerung / © Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Engelsbrücke mit Engelsburg in der Abenddämmerung / © Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Aber um noch mal auf den Eindruck zurückzukommen: Man findet interessanterweise und lustigerweise sogar bei Karl Marx und Friedrich Engels Hinweise zu den Girandola. Zum Beispiel Engels hat einmal die Girandola zum Vergleich mit seinen sozialistischen Gegnern herangezogen: "Die führen sich so auf, als würden sie eine Girandola wie in Rom entzünden." Man sieht, dass dieses Feuerwerk in der ganzen Welt im 19. Jahrhundert noch präsent war.

DOMRADIO.DE: Heute kann man sich dieses Feuerwerk nicht mehr anschauen. Ist die Tradition verschwunden, weil es zu gefährlich war?

Ulrich Nersinger

"Nur ein Abklatsch der alten Zeiten."

Nersinger: Ich denke, es lag in der Hauptsache daran, dass es doch nicht ganz ungefährlich war. Man hat es dann noch mal im Königreich Italien 1888 gemacht, als Kaiser Wilhelm II. Rom besuchte. Schlussendlich verzichtete man doch darauf, weil es einfach solche Dimensionen hatte, die man auch nicht mehr so ganz unter Kontrolle bringen wollte und konnte. 

Man hat dann später noch Feuerwerke gezündet, auch in unserem und im vergangenen Jahrhundert hat man das noch mal versucht. Aber das war eigentlich – salopp gesagt – nur ein Abklatsch der alten Zeiten.

DOMRADIO.DE: Wie sieht es heute aus mit Feuerwerk im Vatikan? Was erwartet die Römerinnen und Römer an Silvester?

Nersinger: Ich denke, wenn man das mit Deutschland oder Österreich vergleicht, eher weniger. Das wird nicht so sein wie wir das kennen. Während meiner Studienzeit war ich ein, zweimal über Silvester in Rom und ich habe dann rausgeschaut und war mehr oder weniger enttäuscht. Man sah vereinzelt die eine oder andere Rakete in die Luft gehen, aber es ist natürlich nicht so, wie wir das gewohnt sind.

Das Interview führte Elena Hong. 

Quelle:
DR