Vatikan veröffentlicht Procedere-Richtlinien bei Pädophilievorwürfen

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Der Vatikan hat am am Montag die angekündigten Leitlinien des kirchenrechtlichen Procederes bei Missbrauchs-Anschuldigungen veröffentlicht. Gemäss diesen Richtlinien könnten pädophile Priester auch ohne kirchenrechtliches Verfahren in den Laienstand versetzt werden.

 (DR)

Diese Möglichkeit bestehe "in sehr schweren Fällen", wenn ein staatliches Gericht bereits den Täter verurteilt habe oder die Beweislast erdrückend sei, heisst es in dem Leitlinienpapier. Unter diesen Umständen könne die Glaubenskongregation, die sich mit Sexualdelikten von Klerikern befasst, den Papst direkt um ein entsprechendes Entlassungsdekret bitten.

Das Schreiben der Glaubenskongregation erläutert die Rechtslage seit 2001, mit den beiden Rechtsquellen Motu Proprio "Sacramentorum sanctitatis tutela" (MPSST; 30. April 2001) einerseits und dem Kirchenrechtscodex von 1983 andererseits. Verwiesen werde auf die Verpflichtung der Diözesen, jedem Hinweis auf sexuellem Missbrauch durch Geistliche nachzugehen.

Schon während der Voruntersuchungen seien Bischöfe aufgefordert, zum Schutz potenzieller Opfer und anderer Gläubigen den verdächtigten Priestern Beschränkungen aufzuerlegen. Staatliche Gesetze zur Meldung von Vergehen "sollten stets befolgt werden", so das Vatikandokument.

Regeln sind nicht neu
Der Vizedirektor des vatikanischen Pressesaals, Pater Ciro Benedettini, betonte bei der Präsentation des Texts, dass das veröffentlichte Regelwerk nicht neu sei. Vielmehr sei das Dokument schon 2003 verfasst worden. Es werde aber erst heute für die Allgemeinheit zugänglich gemacht, um "die vom Papst gewünschte absolute Transparenz" deutlich zu machen.

Die vatikanische Glaubenskongregation habe - so wird in den Richtlinien erläutert - mehrere Optionen, wenn ihr ein Missbrauchsfall zur Kenntnis gelange. Je nach der Schwere der Vorwürfe könne sie entweder den Ortsbischof ermächtigen, selbst vor einem lokalen Kirchengericht einen Strafprozess durchzuführen, oder die Kongregation könne in der entsprechenden Diözese einen Verwaltungsprozess in Gang setzen.

Schwere Fälle an den Papst
Im ersten Fall könne der Beschuldigte gegen sein Urteil bei der Glaubenskongregation Revision einlegen. Im Fall eines Verwaltungsprozesses könne bei einer Verhängung kanonischer Strafen vom Beschuldigten ebenfalls bei der Kongregation dagegen Berufung eingelegt werden. "Die Entscheidung, die die Kardinalsmitglieder der Glaubenskongregation dazu fällen, ist endgültig", so die Richtlinien.

"In wirklich schwerwiegenden Fällen, also wenn ein ziviles Gericht einen Priester wegen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt hat oder wenn es evidente Beweise gibt, kann die Glaubenskongregation den Fall direkt dem Heiligen Vater unterbreiten - mit der Bitte, dass der Papst ein 'ex-ufficio'-Dekret für die Zurückstufung in den Laienstand erlässt. Gegen ein solches päpstliches Dekret ist keine kanonische Berufung möglich", heisst es in Punkt B.2. wörtlich.

Wenn beschuldigte Priester selbst um Dispens vom Priesteramt bäten, dann "genehmigt der Heilige Vater das um des Wohles der Kirche willen", so der Text wörtlich.