Vatikan: Tugendgrad für Pius XII. keine historische Bewertung

Kein "feindlicher Akt"

Der Vatikan hat das Seligsprechungsverfahren für Papst Pius XII. erneut gegen Kritik von jüdischer Seite verteidigt. Für die Zuerkennung des "heroischen Tugendgrades" müssten zwar die konkreten Lebensumstände des Pacelli-Papstes berücksichtigt werden; es handele sich jedoch nicht um ein historisches Urteil über alle Einzelentscheidungen dieses Kirchenoberhauptes, heißt es in einer Note von Vatikansprecher Federico Lombardi vom Mittwoch.

 (DR)

Es handele sich auf keine Fall um einen «feindlichen Akt gegen das jüdische Volk» und nicht um ein Hindernis für den Dialog zwischen Judentum und katholischer Kirche. Lombardi äußerte die Hoffnung, dass der geplante Papstbesuch in der römischen Synagoge am 17. Januar Gelegenheit biete, die enge Verbundenheit zu bekräftigen.

Grundlage für die Zuerkennung des heroischen Tugendgrades sei das persönliche Zeugnis christlichen Lebens gewesen, das Pius XII. abgelegt habe, hob der Vatikansprecher hervor. Hierfür seien auch die Anteilnahme und Sorge von Pius XII. mit Blick auf das Schicksal der Juden von Bedeutung gewesen; diese seien vielfach bezeugt und würden auch von vielen Juden anerkannt.

Lombardi hob die «große Freundschaft und den Respekt» hervor, den Papst Benedikt XVI. dem jüdischen Volk entgegenbringe. Der Papst habe dies bei vielen Gelegenheiten bezeugt. Zudem sei sein theologisches Werk ein unumstößlicher Beweis für diese Hochachtung, so der Vatikansprecher.

Auch eine eventuell folgende Seligsprechung Pius XII. wäre nach den Worten Lombardis kein historisches Urteil über diesen Papst. Mit einem solchen Schritt würdige die Kirche nicht einzelne Verdienste, sondern die christlichen Tugenden der betreffenden Person.

Zugleich hob Lombardi hervor, dass der Vatikan mit dem Fortgang des Seligsprechungsverfahrens die wissenschaftliche Debatte über einzelne Entscheidungen von Pius XII. keineswegs beenden wolle. Lombardi wies ferner Spekulationen über eine gleichzeitig Seligsprechung von Johannes Paul II. (1978-2005) und Pius XII. zurück. Beide Verfahren liefen völlig unabhängig voneinander und folgten jeweils ihrem eigenen Weg.