Vatikan-Touristen in der römischen Sommerhitze

"Das nächste Mal im Herbst"

Der August ist neben dem Juli der heißeste Monat in Rom. Weit mehr als 30 Grad ist dann sogar für die hitzetauglicheren Römer zu viel: Sie kehren in dieser Zeit üblicherweise der Ewigen Stadt den Rücken zu. D

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

eutsche Touristen schlagen den umgekehrten Weg ein - und bereuen schnell. "Ja, wir gehören zu den Verrückten". Das Ehepaar Scherer ruht sich im Schatten der Kolonnaden am Petersplatz aus und lacht. Es ist Mittag. Und wen die Katholiken aus Schwaben mit den "Verrückten" meinen, zeigt spätestens der Blick auf ein Thermometer: 34 Grad Celsius weist die Tafel am Dach eines Souvenirladens aus. Und diese hängt noch im - vergleichsweise - kühlen Schatten, den die Kolonnaden und die Fluchtmauer vom Vatikan zur Engelsburg spenden. Welche tropischen Temperaturen auf dem Petersplatz selbst herrschen, lassen die großen Menschentrauben, die sich um die beiden Brunnen gebildet haben, nur erahnen.

Der August ist neben dem Juli der heißeste Monat in der Ewigen Stadt. Weit mehr als 30 Grad ist dann sogar für die hitzetauglicheren Römer zu viel: Sie kehren in dieser Zeit üblicherweise dem grünen Tiber für ein bis zwei Wochen den Rücken und fliehen ans blaue Meer oder in die frische Bergluft. Die Scherers haben den umgekehrten Weg eingeschlagen: Sie sind von der ligurischen Küste mit dem Auto gekommen. Ihre Tochter Bianca habe unbedingt mal Rom sehen wollen, berichten sie. Sie hätten der 14-Jährigen den Wunsch nicht abschlagen wollen - zumal auch sie selbst das letzte Mal vor etwa 20 Jahren in Rom gewesen seien. Damals allerdings "im November", wie Frau Scherer fast sehnsüchtig hinzufügt.

"Wir sind hier von Schatten zu Schatten gerannt"
Die römische Hitze machte der Familie denn auch ganz schön zu schaffen. "Wir sind hier von Schatten zu Schatten gerannt", berichtet die Schwäbin. Vor dem Petersdom habe man allerdings an der Einlasskontrolle erst mal eine gute Stunde bei glühender Hitze anstehen müssen. Nun beobachten Vater, Mutter und Tochter erschöpft die Menschenmengen auf dem Platz.

Der Anblick von schätzungsweise weit mehr als 1.000 Touristen mit Schirmen, Fotoapparaten und Wasserflaschen spricht nicht für die Annahme, dass Rom im August ein ausgestorbene Stadt sei, wie es in Reiseführern oft heißt. Doch schon wenige hundert Meter vom Petersdom entfernt ändert sich das Bild: Zahlreiche Geschäfte, Bars und Restaurants sind in diesen Wochen wegen Ferien geschlossen: "Chiuso per ferie". Allerdings sollen es in diesem Jahr deutlich weniger sein als früher.

"Rom bleibt zu Hause" schrieb unlängst die Tageszeitung "Il Messaggero". Das Blatt stützt seine Aussage auf eine statistische Erhebung der Stadt, wonach die Zahl der Bürger, die in diesem Jahr Mitte August zu Hause bleiben, gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent gestiegen sei. Auch die Zahl der geöffneten Bars, Restaurants und Geschäfte hat sich demnach um 15 Prozent erhöht. Als wesentlichen Grund nennt die Zeitung die Wirtschaftskrise. Außerdem verreisen immer mehr Römer zu anderen Jahreszeiten - nicht selten auch, wie man hört, um nicht mit der Großfamilie Ferien machen zu müssen.

"Das nächste Mal kommen wir im Frühjahr oder Herbst"
Die Touristen schreckt die Krise offenbar kaum ab. Und nicht alle Rombesucher reagieren so empfindlich auf die Hitze wie jene aus Deutschland. Die Temperaturen machten ihr nicht viel aus, sagt eine Frau aus Paris, die mit einer französischen Gruppe angereist ist. Einmal den Petersdom zu sehen, das sei für sie das Wichtigste. Andere Touristen, etwa eine Gruppe aus Vietnam, sind im August gekommen, weil sie nur in diesem Monat Urlaub haben, wie ihr Reiseleiter erläutert. Das, was die meisten Europäer als unerträgliche Hitze bezeichnen, ist für die Gäste aus dem südöstlichen Asien ohnehin allenfalls ein Lächeln wert. Deutsche Pilgergruppen sieht man nicht, nur einige Individualreisende.

Menschenaufläufe wie an diesem Tag sind im August auf dem Petersplatz nicht ungewöhnlich. Das bestätigen die beiden Polizisten, die hinter den Kolonnaden an der Fluchtmauer zur Engelsburg Wache schieben oder mitunter auch Restaurantführer spielen müssen. Der Andrang sei normal, sagen sie. Kurz darauf will ein Jugendlicher wissen, wo er "the best pizza" in der Stadt essen könne. Familie Scherer indessen könnte auch die beste Pizza im August nicht mehr nach Rom locken. Für sie steht fest: "Das nächste Mal kommen wir im Frühjahr oder Herbst."