US-Kardinal Daniel DiNardo wird 75 Jahre alt

Erzbischof mit unliebsamen Aufgaben

Missbrauch und Ungehorsam - als Erzbischof und Vorsitzender der US-Bischofskonferenz musste sich Kardinal Daniel DiNardo mit manch unliebsamer Aufgabe beschäftigen. Nun vollendet der Mann aus Texas sein 75. Lebensjahr.

Autor/in:
Von Johannes Senk
Der scheidende Vorsitzende der Konferenz, Kardinal Daniel DiNardo / © Paul Haring (KNA)
Der scheidende Vorsitzende der Konferenz, Kardinal Daniel DiNardo / © Paul Haring ( KNA )

Vom Chef bei einem wichtigen Projekt ausgebremst zu werden, fühlt sich nie besonders angenehm an - auch und vielleicht besonders dann nicht, wenn besagter Chef der Papst ist. Es war also sicher kein leichter Gang, als der damalige Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Kardinal Daniel DiNardo, im Herbst 2018 vor seine versammelten Amtsbrüder treten und ihnen mitteilen musste: 

Die Abstimmung über den wichtigen nationalen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch muss auf Anweisung aus Rom wieder von der Tagesordnung genommen werden.

Umso unangenehmer für den Vorsitzenden, lasteten dem Erzbischof der texanischen Erzdiözese Galveston-Houston doch selbst Vertuschungs-Vorwürfe an. Vor allem darauf ist es zurückzuführen, dass die dreijährige Amtszeit DiNardos an der Spitze des US-Episkopats wie glücklos wirkt. Am 23. Mai vollendet der Mann aus Texas nun sein 75. Lebensjahr; eine wichtige Altersmarke innerhalb der kirchlichen Hierarchie.

Kardinal Daniel Nicholas DiNardo am 11. Juni 2019 in Baltimore / © Bob Roller (KNA)
Kardinal Daniel Nicholas DiNardo am 11. Juni 2019 in Baltimore / © Bob Roller ( KNA )


Erster Südstaaten-Kardinal

DiNardo wurde 1949 in Steubenville im Bundesstaat Ohio geboren. Seine
Priesterweihe erhielt er 1977 im Bistum Pittsburgh, 20 Jahre später
wurde er Bischof von Sioux City. 2004 ernannte ihn Papst Johannes
Paul II. zum Koadjutor in Galveston-Houston, das erst im selben Jahr zum Erzbistum aufgewertet wurde. 2006 folgte er dort als zweiter Erzbischof auf Joseph Fiorenza; Benedikt XVI. erhob ihn 2007 in den Kardinalsstand - als damals ersten Bischof aus einer Diözese der US-Südstaaten.

Auf ihrer Vollversammlung 2016 wählten die US-Bischöfe DiNardo schließlich zu ihrem Vorsitzenden. Doch nicht nur die Missbrauchsthematik stellte ihn hier vor nicht endende Herausforderungen. Auch gelang es DiNardo nicht, der sich vertiefenden Spaltung der Bischofskonferenz etwas Wirksames entgegenzusetzen. Zu beobachten sind ein eher konservativer Flügel, der den Lehramtspositionen des Papstes teils offen kritisch gegenübersteht, und ein Franziskus-treuer Flügel.

Mal mehr, mal weniger Franziskus-treu

DiNardos eigene Positionen liegen dabei mal mehr, mal weniger auf päpstlicher Linie. Er tritt, wie fast alle US-Bischöfe, für das unumschränkte Lebensrecht ein. Das beinhaltet schärfere Gesetze zur Abtreibung wie auch zum Waffenbesitz. Mit Ersterem kann er in seinem Bundesstaat punkten; Texas verbietet Schwangerschaftsabbrüche in so gut wie allen Fällen. Gleichzeitig besitzen über 45 Prozent der Texaner mindestens eine private Schusswaffe - hier bewegt sich das bischöfliche Wort also abseits von bürgerlicher Realität.

In Flüchtlingsfragen plädiert DiNardo ähnlich wie der Papst für mehr Schutz und die Aufnahme von Menschen. Das ist in einem Bundesstaat, der durch die Grenze zu Mexiko erste Anlaufstelle für Geflüchtete aus Südamerika ist, keine einfache Position. Die globale Erwärmung hingegen bezeichnet DiNardo zwar als wichtiges Thema, allerdings ohne große Dringlichkeit. Das entspricht weniger dem Duktus des "Klima-Papstes" Franziskus.

Die Causa Strickland

Im November 2019 gab DiNardo sein Amt als Bischofskonferenz-Chef turnusmäßig nach drei Jahren ab. Seitdem ist er zwar nicht mehr der oberste Repräsentant der Bischöfe; die ein oder andere unangenehme
Aufgabe bleibt ihm trotzdem nicht erspart. 

Joseph Strickland / © Bob Roller (KNA)
Joseph Strickland / © Bob Roller ( KNA )

Als Metropolit der texanischen Kirchenprovinz musste er sich zuletzt mit der päpstlichen Absetzung des Bischofs von Tyler, Joseph Strickland, im vergangenen November befassen. Strickland hatte zuvor mehrfach öffentlich und teils polemisch Kritik am kirchenpolitischen und theologischen Kurs des Papstes geäußert, zuletzt sogar Vermutungen Raum gegeben, der Argentinier habe das Papstamt unrechtmäßig erobert.

Als Metropolit kann DiNardo zwar nicht verantwortlich gemacht werden für die Äußerungen seines "untergeordneten" Bischofs. Doch war es seine Aufgabe, öffentlich über die Entlassung des Bischofs zu
informieren. Für manche Traditionalisten und Bewunderer des ungehorsamen Hirten wurde der Kardinal so mitschuldig an der Entlassung.

Keine Nachfolger

Nach dem Chicagoer Erzbischof Blase Cupich ist DiNardo der zweite US-Kardinal, der in diesem Jahr sein 75. Lebensjahr vollendet. Bei Erreichen dieser Altersgrenze sind Diözesanbischöfe angehalten, dem Papst ihren Rücktritt anzubieten. Auch wenn der texanische Erzbischof sicher nicht zu den entschiedenen Kritikern des Papstes zählt, ergäbe sich für Franziskus dennoch eine Möglichkeit, "seinen" Flügel in der notorisch gespaltenen US-Bischofskonferenz weiter zu stärken.

Doch zeigt ein Blick auf die Kirchenlandschaft in den USA, dass sich eine Neubesetzung der Erzdiözese schwierig gestalten könnte. Derzeit warten sieben Diözesen auf einen neuen Bischof, in 14 weiteren hat der Amtsinhaber die formelle Altersgrenze von 75 Jahren bereits erreicht. Zu ihnen zählt auch der Erzbischof von Boston, Kardinal Sean O'Malley, der im Juni 80 Jahre alt wird. Was fehlt, sind offenbar geeignete Kandidaten. DiNardo könnte also wohl auch deshalb im Amt bleiben, da noch kein Nachfolger für ihn bereit steht.

Die katholische Kirche in den USA

Die römisch-katholische Kirche ist die größte Glaubensgemeinschaft der USA, denn die Protestanten teilen sich in verschiedene Konfessionen. Ein knappes Viertel der US-Amerikaner ist katholisch, die meisten Katholiken leben im Nordosten und im Südwesten. Genaue Zahlen sind schwierig, weil in den USA der Wechsel einer Konfession sehr häufig vorkommt.

Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 (shutterstock)
Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 ( shutterstock )
Quelle:
KNA