US-Bischöfe wählen einen neuen Vorsitzenden

Spannung im Vorfeld und unterschiedliche Charaktere

Die US-Bischöfe wählen bei ihrer Herbsttagung vom 14. bis 17. November in Baltimore einen neuen Vorsitzenden. Selten zuvor war der Ausgang so wenig vorhersagbar wie dieses Mal. Zehn Bischöfe bewerben sich um den Spitzenjob.

Autor/in:
Thomas Spang
US-Bischöfe / © Bob Roller (KNA)
US-Bischöfe / © Bob Roller ( KNA )

Der Posten steht nach Ablauf der dreijährigen Amtszeit von Erzbischof Jose Gomez aus Los Angeles Mitte November zur Wahl. Während in der Vergangenheit der amtierende Vizepräsident als gesetzt galt, ist das Feld diesmal offen. Das liegt am Alter des Erzbischofs von Detroit, Allen Vigneron, der mit knapp 74 Jahren die Aufgabe nicht mehr übernimmt: Er müsste schon in gut einem Jahr dem Papst obligatorisch seinen Rücktritt anbieten.

Nur ein Kandidat aus "Franziskus-Flügel"

Die sonst übliche Spannung bei dem Rennen um den Vizeposten verschiebt sich damit hin zur Wahl des Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Die Abstimmung gilt unter Beobachtern als Gradmesser, wie weit sich die Koordinaten innerhalb der amerikanischen Bischofskonferenz (USCCB) verschoben haben. Obwohl der Ausgang des Rennens offen ist, lässt sich schon jetzt mit einiger Sicherheit sagen, dass die Konferenz in den kommenden drei Jahren nicht von einem Bischof geführt werden wird, der Papst Franziskus besonders nahe steht.

Unter den zehn Kandidaten findet sich genau einer, der Erzbischof von Seattle, Paul Etienne, der dem "Franziskus"-Flügel der USCCB zugeschlagen wird. Der begeisterte Outdoor-Freund sieht sich theologisch und seelsorgerisch auf einer Linie mit den Kardinälen Blase Cupich aus Chicago und dem erst kürzlich ins päpstliche Beratergremium aufgerückte Robert McElroy aus San Diego. An der Stimmenzahl für Etienne wird sich zeigen, wie viel Unterstützung das Franziskus nahe stehende Lager mobilisieren kann. Dank der Neuernennungen unter den Bischöfen dürften es mehr als in der Vergangenheit sein - aber nicht genug, den Kurs der USCCB neu auszurichten.

Moderate Stimmen

Die Bischöfe Frank Caggiano aus Bridgeport und Daniel Flores aus Brownsville gelten als moderate Stimmen, die in der gespaltenen Bischofskonferenz darum bemüht sind zu vermitteln. Diese beiden Kandidaten haben genau deshalb bestenfalls nur Außenseiterchancen.

Wobei Flores zuletzt gleich zweimal in Erscheinung trat: Als furchtloser Berichterstatter der USCCB an die Weltsynode, der mit einem ungeschminkten Report der Erwartungen der US-Katholiken an ihre Kirche Widersprüche zu den Prioritäten der Bischöfe offenlegte. Der intellektuell wendige Bischof nahm nach dem Schulmassaker von Uvalde mit Kritik an der Waffenkultur in den USA kein Blatt vor den Mund.

Favoriten aus konservativem Lager

Als Favoriten gehandelt werden drei Bischöfe, die dem konservativen Lager zugerechnet werden. Besonders gut positioniert scheint Militärbischof Timothy Broglio, der gegenüber den Mitbewerbern einen doppelten Vorzug hat: Er residiert in Washington, dem Sitz der USCCB, und kann anders als sein Vorgänger Gomez vor Ort stärker präsent sein. Zudem ging Broglio durch die päpstliche Diplomatenschule. Er war Gesandter des Vatikan in der Dominikanischen Republik und kennt sich gut in der Hierarchie aus.

Sein größter Vorteil ist aber auch seine Schwäche. Kritiker halten ihm eine zu große Nähe zu dem ehemaligen "Außenminister" des Vatikan, Kardinal Angelo Sodano vor. Dieser soll Ermittlungen hochrangiger Kirchenführer in der Missbrauchskrise behindert haben. Broglio dürfte es schwer haben, progressivere Bischöfe für sich zu gewinnen. Er gilt als strammer "Kulturkrieger", der mehr an der Lehre als an Seelsorglichem interessiert sei.

Kandidat wollte Todesstrafe abschaffen

Obwohl auch Erzbischof Paul Coakley aus Oklahoma zu den Traditionalisten zählt, fiel er mit Initiativen auf, die über Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehen hinausgingen. Der ehemalige Vorsitzende des großen katholischen Hilfswerks Catholic Relief Services profilierte sich unter anderem durch wiederholte Appelle, die Todesstrafe abzuschaffen. Coakley steht im Ruf, einen angenehmen Umgang zu pflegen, der ihm Zustimmung über die Lager hinaus eintragen könnte.

Als eher ausgleichende Kraft in der USCCB wird auch Bischof Kevin Rhoades aus Fort Wayne-South Bend in Indiana gesehen. Sein Vermittlungsgeschick stellte er während des bitteren Streits um die «Eucharistie-Würdigkeit» von Politikern im vergangenen Jahr unter Beweis. Im Auftrag der USCCB schaffte er es, ein Dokument zum Sakrament der Kommunion zu erarbeiten, das auf der Herbsttagung 2021 problemlos eine Mehrheit fand.

Urgestein der Bischofskonferenz

Erzbischof William Lori aus Baltimore ist aufgrund seiner vielen früheren Ämter ein Urgestein der Bischofskonferenz. Wegen seines fortgeschrittenen Alters (71) bestehen in Teilen der USCCB aber Vorbehalte. Ihm werden Außenseiterchancen zugerechnet. Dagegen gelten die drei anderen Kandidaten Michael Burbridge aus Arlington, Salvatore Cordileone aus San Francisco und Gustavo Garcia-Siller aus San Antonio als eher chancenlos.

Gewählt wird in drei Durchgängen, wobei im dritten die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen gegeneinander antreten. Die unterlegenen neun Mitbewerber konkurrieren anschließend um das Vizeamt.

Quelle:
KNA