US-Bischöfe verlieren gewichtigen Vorsitzenden

Kardinal Dolan gibt Präsidentschaft der Bischofskonferenz ab

Anfang kommender Woche kommen die US-Bischöfe in Baltimore zu ihrer Herbstvollversammlung zusammen. Sie wählen einen neuen Vorsitzenden, weil die Amtszeit des New Yorker Kardinals Timothy Dolan endet.

 (DR)

Vom Glanz des neuen World-Trade-Center-Turms zur Peterskirche ist es nicht weit. Das Gebäude der ältesten katholischen Gemeinde New Yorks steht in einer Seitenstraße, und wer das Kreuz auf dem Dach nicht entdeckt, könnte den Betonbau mit den sechs griechischen Säulen am Aufgang leicht übersehen. Doch an diesem Mittag gehen viele die Treppen hinauf, auch einige Anzugträger. Sie werfen einen letzten Blick aufs Handy, dann schalten sie es aus - zumindest für diese halbe Stunde.

Jeder dritte US-Bürger gibt an, mindestens einmal in der Woche einen Gottesdienst zu besuchen. Und New York City, wo die Kirchtürme inmitten der Wolkenkratzer rein geografisch kaum Orientierung bieten, scheint keine Ausnahme zu sein. "Ich bin Katholik, darum gehe ich zur Kirche", sagt ein Besucher - auch wenn er nicht alles gutheiße, was dort gepredigt werde. "Ich glaube nicht, dass Jesus Homosexuelle ausgeschlossen hätte", sagt er. Der Umgang mit Schwulen und Lesben treibt die USA seit Jahren um.

Neuer Vorsitzender der US-Bischöfe

Anfang nächster Woche kommen die US-Bischöfe in Baltimore zu ihrer Herbstvollversammlung zusammen. Sie wählen einen neuen Vorsitzenden; nach drei Jahren im Amt endet turnusgemäß die Zeit für den New Yorker Kardinal Timothy Dolan (63). Und sie werden dort auch über Ehe und Homosexualität diskutieren. Wieder einmal. Die Kirche könne nicht endlos über Themen wie "Homo-Ehen", Abtreibung und Verhütung sprechen, hat Papst Franziskus in einem Interview im September erklärt. Doch da war die Tagesordnung für Baltimore längst geschrieben.

Dolan betonte in Reaktion auf die ungewohnten Töne aus dem Vatikan zwar glaubhaft, der Papst sei wie ein frischer Wind in der Kirche.

Doch allzu viel davon dürfte manchen US-Bischöfen auch nicht recht sein. Schon allein das Label "liberal", das konservative US-Blogger und Journalisten dem Papst sogleich anhefteten, geht vielen US-Amerikanern zu weit. Sie teilen ihre Welt in Schwarz und Weiß; "liberal" ist da gleich das Böse: Wer für Straffreiheit bei Abtreibung ist, ist gegen den Schutz des ungeborenen Lebens; wer für die Bürgerrechte von Homosexuellen eintritt, ist gegen die Ehe.

Eigene Umfrage online gestellt

Tatsächlich denken freilich nicht alle offiziell rund 70 Millionen Katholiken in den USA so. Der Vatikan hat in Vorbereitung auf die Weltbischofssynode in einem Jahr einen Fragenkatalog an alle nationalen Bischofskonferenzen verschickt; Thema ist die Familie.

Noch wird darüber spekuliert, wer die Fragen eigentlich beantworten soll: die Bischöfe oder die Gläubigen.

Die US-Kirche hat für sich entschieden, dass es den einzelnen Diözesen überlassen bleibt, wie sie die Angelegenheit handhaben: "Jeder Bischof entscheidet für sich, wie er die Informationen zusammenträgt", so eine Sprecherin der Bischofskonferenz. Derweil hat eine katholische Gruppierung aus Washington auf Basis der Fragen aus dem Vatikan eine eigene Umfrage formuliert und online gestellt: "Der Papst will Ihre Meinung".

Von Dolans Nachfolger hängt viel ab

Karen aus New Jersey hat das gesehen und würde ihrer Kirche, die ihr so viel bedeutet, gern die Meinung sagen. Dann würde die 40-jährige Mutter von vier Söhnen erzählen, dass ihr die eigene Gemeinde eigentlich ganz gut gefällt; dass keine Institution perfekt sei, sie sich aber wünschen würde, dass sich jeder von der Kirche akzeptiert fühlt: Homosexuelle, Geschiedene, Frauen, die ein Kind abgetrieben haben. "Wenn die Kirche nicht alle willkommen heißt, wie will sie dann ihr Wort verbreiten?"

Mit dem redegewandten und volkstümlichen Dolan an der Spitze ist es der Bischofskonferenz gelungen, wieder öfter gehört zu werden - auch in Washington, wo mit Barack Obama derzeit ein Präsident regiert, der der katholischen Kirche nicht sonderlich nahe steht. Vom Format des Nachfolgers für den so korpulenten wie humorvollen Frontmann der 265 aktiven US-Bischöfe wird einiges abhängen.


Quelle:
KNA