US-Bischöfe mischen sich in die Politik ein

Ungewöhnliche Schelte

Mit knapp 68 Millionen Mitgliedern ist die katholische Kirche die größte Glaubensgemeinschaft in den USA. Politisch lassen sich in der Regel die katholischen Bischöfe bei politischen Streitfragen nicht vereinnahmen. Nun beziehen sie Position gegen die Republikaner - und das ungewöhnlich deutlich.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Ganz neu ist das nicht, aber so deutlich war es selten: Schwer im Clinch liegen die Bischöfe mit den Republikanern aktuell bei der Diskussion über Haushaltskürzungen. Republikanische Vorlagen würden "die hungrigen, armen und die verletzlichsten Menschen in unserem Land" besonders betreffen, protestierte die katholische Bischofskonferenz kürzlich in einem Schreiben an den Kongress. Gerechtigkeit verlange, dass man nicht überproportional" die "lebenswichtigen Hilfsprogramme" für die Armen kürzt.



Die Bischöfe bezogen sich auf den von der Republikanischen Partei abgesegneten Entwurf des Abgeordneten Paul Ryan, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses im Repräsentantenhaus. Der 42-Jährige gilt als Star im konservativen Amerika und sogar als möglicher Kandidat für den Vizepräsidentenposten. Der republikanische Präsidentschaftsanwärter Mitt Romney hat Ryans Vorlage ausdrücklich gelobt. Sie sieht eine 17-prozentige Kürzung des Lebensmittelhilfsprogramms vor und Kürzungen der staatlichen Krankenversicherung für Einkommensschwache um ein Drittel. Ryans Steuerreform käme nach Angaben des Wirtschaftsforschungsinstituts "Center on Budget and Policy Priorities" überproportional den reichsten US-Amerikanern zu Gute.



Die Schelte der Bischöfe, die Schlagzeilen machte, blieb bei den Republikanern nicht ohne Wirkung. Im Fernsehsender "Christian Broadcasting Network" wehrte sich der Katholik Ryan: Sein katholischer Glaube habe ihn zu seinen Vorschlägen geführt. Weniger Regierung helfe dem Gemeinwohl. Denn laut Ryan "verdrängt" ein zu starker Staat die Zivilgesellschaft und die karitative Hilfe für die Bedürftigen. Auch John Boehner, Sprecher des Repräsentantenhauses, wollte die Kritik vonseiten der Bischöfe nicht hinnehmen. Man müsse die "großen Zusammenhänge" sehen. Denn wenn man jetzt nicht kürze, gehe das Geld aus, und dann hätten die Bischöfe "wirklich Grund, sich Sorgen zu machen", argumentiert der Katholik Boehner.



Noch vor Wochen viel Harmonie

Dabei schien vor wenigen Wochen noch alles bestens im Verhältnis der Republikaner und der Bischöfe. Es herrschte so viel Harmonie, dass "liberale Katholiken" klagten, die Bischöfe machten "die katholische Kirche zum Helfer einer Kampagne" gegen den demokratischen Präsidenten Barack Obama, wie die "New York Times" berichtete. Gemeinsam attackierten die Republikaner und die Bischöfe Obamas Gesundheitsreform, bei der religiöse Verbände - nicht aber Kirchen selber - ihre Angestellten so krankenversichern müssen, dass auch Empfängnisverhütung bezahlt wird.



Schweres Geschütz wurde aufgefahren. Der Staat wolle Katholiken zwingen, ihrem "Gewissen Gewalt anzutun", klagte Kardinal Timothy Dolan aus New York. Der römisch-katholische Bischof von Peoria (US-Staat Illinois), Daniel Jenky, warnte gar in einer Predigt, Obama habe eine radikale Haltung zugunsten von Abtreibung und für eine strikte Trennung von Staat und Religion. Der Präsident verfolge anscheinend eine antikirchliche Strategie wie "Hitler und Stalin", rügte Bischof Jenky. Katholiken müssten bei der Präsidentenwahl im November zu den Urnen gehen, denn katholische Einrichtungen seien gefährdet.



Mit einer Kampagne für Religionsfreiheit legte die Bischofskonferenz nach. Denn es gehe nicht nur um die Gesundheitsreform. Die Regierung benachteilige überdies katholische Hilfsorganisationen, klagte eine eigens gebildete bischöfliche Kommission. So bekämen katholische Adoptionsvermittler keine Zuschüsse mehr, wenn sie sich weigerten, Kinder an gleichgeschlechtliche Paare zu vermitteln. Einem katholischen Verband gegen Menschenhandel drohe der Entzug von Geldern, weil er Frauen keine Informationen über Empfängnisverhütung geben wollte.



Als steuerbefreite Institutionen dürfen sich Kirchen in den USA nicht für politische Kandidaten und Parteien einsetzen. Allerdings dürfen sie zu politischen und gesellschaftlichen Fragen Stellung beziehen. Deshalb sind viele Kirchen zu einer rhetorischen Gratwanderung genötigt. Bei der Präsidentenwahl 2008 hatten 54 Prozent der Katholiken für Barack Obama gestimmt.