Uruguay feiert 200 Jahre Unabhängigkeit

Die Schweiz Südamerikas

Uruguay feiert sein "bicentenario": Vor 200 Jahren versammelten sich um die 100 Männer in Kampfmontur am Fluss Asencio und schworen sich Freiheit von der Kolonialmacht Spanien. Auch wenn noch Jahre vergingen, bis das kleine Land am Rio de la Plata als Republik Uruguay deklariert wurde – der "Unabhängigkeitsschrei von Asencio" gilt als der Beginn des Staates Uruguays.

Autor/in:
Camilla Landbö
 (DR)

Mit einem Festakt am Sonntag (27.02.2011) wird an diesen Freiheitsschwur erinnert; zugleich beginnt eine Reihe von Festlichkeiten, die bis Oktober andauern.



Wer in Montevideo durch die Altstadt flaniert, vorbei an Buchhandlungen, Cafes oder kleinen Straßenmärkten, stößt beinahe an jeder Ecke auf dasselbe Bild: Öffentliche Banken, private Geldhäuser und Wechselstuben. Möglicherweise wird Uruguay deshalb - auch wegen des Bankgeheimnisses - die "Schweiz Südamerikas" genannt. Und vielleicht hat es auch mit dem Landschaftsbild zu tun: Jenseits der Metropolen gibt es dichte Wälder, satte Wiesen und grasende Kühe.



Auch was ihre Größe betrifft, ähneln sich die Schweiz und Uruguay. Beide sind Kleinstaaten - eingeklemmt zwischen den Großen. Uruguay, früher offizieller Pufferstaat, erscheint zwischen den beiden größten Ländern Lateinamerikas, Brasilien und Argentinien, winzig. In ähnlicher Umgebung wird die Schweiz von fünf Staaten umringt, darunter Frankreich und Deutschland. Im politischen Kontext verhält sich Uruguay ebenso neutral wie sein europäisches Pendant - und hält sich möglichst aus internationalen Konflikten heraus.



Erster demokratischer Staat auf dem Kontinent

Die "Schweiz Südamerikas" wird Uruguay allerdings erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts genannt. Damals entwickelte sich der Kleinstaat derzeit zum ersten demokratischen und laizistischen Staat auf dem Kontinent. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung gingen zahlreiche Rechte für die Bevölkerung einher, etwa der Acht-Stunden-Tag, Arbeitslosenversicherung, bezahlter Urlaub und Altersrente. Die Regierung verbot Kinderarbeit, erlaubte Ehescheidungen, verstaatlichte Unternehmen und baute das Bildungssystem aus. Im beispielhaften Uruguay wuchs eine breite Mittelschicht heran, die Sterblichkeitsrate sank, der Lebensstandard nahm kontinuierlich zu.



Vom helvetischen Vorbild jenseits des Atlantik waren die Uruguayer stets angetan. Der kollegiale Rat der schweizerischen Exekutive, der damals wie heute aus sieben Bundesräten bestand, begeisterte die Politiker Uruguays. So wurde das Land nach einem Referendum 1919 gleich von neun Exekutivmitgliedern regiert. Der Präsident dieses "Nationalen Regierungsrates" kümmerte sich nach Schweizer Vorbild um die internationalen Gegebenheiten. Nach einigen goldenen Jahren ging es allerdings auch mit Uruguays Wirtschaft bergab.



Stolz auf das Erreichte

Heute ist das Land eine Präsidialrepublik. Und wenn auch viele Uruguayer glauben, sie verdienten die Bezeichnung "Schweiz Südamerikas" nicht mehr - sie tun es doch. Uruguay ist nach wie vor der demokratischste Staat des Kontinents. Die Bürger können sich auf eine funktionierende Rechtsstaatlichkeit berufen, und im Korruptionsranking schneidet das Land im Vergleich zu anderen Staaten des Kontinents am besten ab. Seit 2003 wächst die Wirtschaft kontinuierlich; Arbeitslosigkeit und Armut sinken. Noch vor kurzem war das Bankgeheimnis eine weitere Gemeinsamkeit. Uruguay störte sich allerdings daran, 2009 auf der Liste der "Steueroasen" zu stehen. So stimmte das Parlament Ende 2010 für eine Modifizierung des seit 1982 bestehenden Bankgeheimnisses.



Auf ihren demokratischen Sozialstaat sind die sonst eher diskreten und bescheidenen Uruguayer stolz. Auf einem Kontinent "voll von Ungerechtigkeiten haben wir das gerechteste Land erschaffen," sagte vor zwei Wochen Präsident Jose Mujica euphorisch: Hier sei "keiner mehr als der andere". Das könnte dann am Ende doch ein wenig zu euphorisch sein.