Urteil gegen Bischof in Nicaragua macht fassungslos

"Widerliche Vorgehensweise"

Ein Bischof in Nicaragua soll 26 Jahre ins Gefängnis. Das ist ein Beispiel für die prekäre Menschenrechtslage in dem lateinamerikanischen Land. Sein Fall bewegt auch Edgar Lamm von der Internationale Gesellschaft für Menschenrechte.

Kirche la Merced in Granada, Nicaragua / © Russell Johnson (shutterstock)
Kirche la Merced in Granada, Nicaragua / © Russell Johnson ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was fordern Sie mit Blick auf den Bischof von Matagalpa, Rolando Álvarez, der sich weigerte ins Exil zu gehen und deswegen zu einer Haftstrafe von 26 Jahren verurteilt wurde?

Polizisten in Nicaragua / © Jeiner Huete_P (shutterstock)
Polizisten in Nicaragua / © Jeiner Huete_P ( shutterstock )

Edgar Lamm (Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte): Wir fordern die Einhaltung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten, und im konkreten Fall fordern wir natürlich die sofortige Entlassung. Es ist ein barbarisches Urteil, man kann es gar nicht anders nennen - 26 Jahre für nichts.

Das erinnert mich an Kuba. In Lateinamerika war Kuba immer berüchtigt dafür, dass dort viele Langzeitstrafen von 20 bis 30 Jahren Haft verhängt wurde. Das ist jetzt offensichtlich in Nicaragua auch der Fall. 

DOMRADIO.DE: Dieses Schicksal des Bischofs ist kein Einzelfall. Schon lange geht das Regime gegen katholische Geistliche und Ordensleute vor. Wie tut das Regime das? 

Edgar Lamm (Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte)

"Im schlimmsten Fall werden sie verhaftet, im weniger schlimmen Fall wir ihre Tätigkeit als Priester eingeschränkt."

Lamm: Im schlimmsten Fall natürlich durch Verhaftungen. Aber es gibt auch einige Vorstufen. Die Leute werden kurzzeitig inhaftiert, werden unter Hausarrest gestellt oder drangsaliert und die Gottesdienste werden gestört.

Es gibt momentan zwei Priester, die noch in Haft sind, neben vielen anderen. Im schlimmsten Fall werden sie verhaftet, im weniger schlimmen Fall wird ihre Tätigkeit als Priester eingeschränkt.

DOMRADIO.DE: Darüber hinaus gibt es auch Repressalien gegen die katholische Kirche. Was ist da noch zu nennen? 

Lamm: Die Kirche als Ganzes ist Opfer von Drangsalierungen. Das sind Zwangsschließungen von kirchlichen Organisationen und katholischen Radiosendern, Brandanschläge auf Kirchengebäude, Polizeikontrollen.

Wir haben eine Sektion in Nicaragua und hören von dort immer wieder, dass zum Beispiel Gottesdienstbesucher eingeschüchtert werden. Das ist ganz subtil. Da werden Polizisten in Kircheneingang postiert, die sich entsprechend verhalten. Das soll die Menschen abschrecken.

Daniel Ortega / © Alejandro Ernesto (dpa)
Daniel Ortega / © Alejandro Ernesto ( dpa )

Das ist auch nicht neu. Der frühere Kardinal Miguel Obando Bravo, der Erzbischof von Managua, war seit 1970 jahrzehntelang verfolgt worden. Das hat eine gewisse Tradition, jedenfalls sofern Präsident Daniel Ortega in Nicaragua an der Macht war. 

DOMRADIO.DE: Warum haben Daniel Ortega und seine Leute offenbar Angst vor der katholischen Kirche? 

Lamm: Weil die katholische Kirche wie die andere Kirchen ein sehr hohes Ansehen im Lande und auch in ganz Lateinamerika hat. Die Kirche ist immer ein Zufluchtsort für Verfolgte in den Diktaturen. Insofern richtet sich der Zorn des Präsidenten auf die katholische Kirche.

Ich spreche übrigens vom Präsidenten Ehepaar, denn praktischerweise ist ja die Ehefrau des Präsidenten die Vizepräsidentin. Das ist wahrscheinlich weltweit auch einmalig. 

Edgar Lamm (Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte)

"Die Kirche ist immer ein Zufluchtsort für Verfolgte in den Diktaturen. Insofern richtet sich der Zorn des Präsidenten auf die katholische Kirche."

DOMRADIO.DE: Was zeigt denn der Umgang mit der katholischen Kirche und auch mit ihren Vertretern über die Menschenrechtslage allgemein in Nicaragua?

Lamm: Die Menschenrechtslage ist schlecht. Journalisten und Priester werden regelmäßig verhaftet, oppositionelle Politiker, werden in ihrer politischen Betätigung gehindert und schließlich gibt es Haftstrafen in den berüchtigten Gefängnis "El Chipote" in Managua.

Der harmlosere Fall ist im Grunde, wenn politische Gefangene oder Oppositionelle ausgewiesen werden. Vor einigen Wochen wurden über 200 Personen in Richtung der Vereinigten Staaten deportiert. Das waren dann auch Priester, Seminaristen oder ganz allgemein politische Häftlinge.

So etwas ist an der Tagesordnung in Nicaragua. Es ist in Lateinamerika nur vergleichbar mit Kuba und Venezuela, wo wir ganz ähnliche Vorgehensweisen haben.

Dazu noch ein Detail. Oft sind Demonstrationen zusammengeschossen worden, bei denen festgestellt wurde, dass es sich dabei um Söldner aus Kuba und Venezuela handelt. Das erklären die Oppositionellen vor Ort damit, dass diese Söldner besonders brutal sind, denn Nicht-Nicaraguaner haben weniger Skrupel, auf Nicaraguaner zu schießen. Eine ganz widerliche Vorgehensweise.

Das Interview führte Elena Hong.

Bischof Alvarez in Nicaragua zu 26 Jahren Haft verurteilt

Mit einem drakonischen Urteil will das sandinistische Regime in Nicaragua ein Exempel statuieren, um kritische Stimmen im Land einzuschüchtern: Der Bischof von Matagalpa muss für mehr als 26 Jahre ins Gefängnis. "Ich will keinen neuen Märtyrer-Bischof in Lateinamerika": Mit diesen Worten beorderte Papst Franziskus Managuas Weihbischof Silvio Baez schon vor einigen Jahren ins Exil. Nur widerwillig und "im Geiste des Gehorsams" verließ der prominente Kritiker des sandinistischen Regimes Ende April 2019 seine Heimat Nicaragua.

Schattenumriss Gefängnis / © Felix Kästle (dpa)
Schattenumriss Gefängnis / © Felix Kästle ( dpa )
Quelle:
DR