Unternehmer empfiehlt Kirche mehr Professionalität

"Die Führungskultur muss sich ändern"

Für die Katholische Kirche wird es zunehmend schwerer, Arbeitskräfte für sich zu gewinnen. Angesichts der Rekordaustrittszahlen hat der Bund der Katholischen Unternehmer konkrete Forderungen an die Kirche als Arbeitgeberin.

Kreuz an einer Bürotür / © Harald Oppitz (KNA)
Kreuz an einer Bürotür / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Warum wollen nicht mehr so viele Menschen für die katholische Kirche arbeiten, selbst wenn der Job gut bezahlt wird?

Prof. Ulrich Hemel / © BKU (BKU)
Prof. Ulrich Hemel / © BKU ( BKU )

Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel (Vorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer / BKU): Jeder Arbeitgeber hat heute die Aufgabe, sich selbst als attraktiv und als interessant darzustellen. Aber die vielen Streitigkeiten und Skandale der letzten Jahre haben das Image der katholischen Kirche als attraktiver Arbeitgeber leider sehr stark beeinträchtigt. Leider sage ich, weil ich immer noch überzeugtes Mitglied der Kirche bin.

DOMRADIO.DE: Können sich die Menschen mit dem Arbeitgeber Kirche nicht mehr identifizieren?

Prof. Dr. Ulrich Hemel

"Es ist heute fast schon rechtfertigungspflichtig, wenn man sagt: Ich arbeite für die katholische Kirche!"

Hemel: So scheint es. Und so wirkt es nach den Gesprächen mit vielen Menschen. Warum? Weil die Leuchtkraft unserer Botschaft, nämlich einer menschenfreundlichen Botschaft, die auf alle zugeht, nicht mehr rüberkommt. Das fängt damit an, dass Menschen aufgrund ihres individuellen Lebens ausgegrenzt werden können. Das geht weiter damit, dass jeder auch ein bisschen das Image seines eigenen Arbeitgebers transportiert. Es ist heute fast schon rechtfertigungspflichtig, wenn man sagt: Ich arbeite für die katholische Kirche.

DOMRADIO.DE: Welche Folgen haben denn die Austrittszahlen für die katholische Kirche als Arbeitgeber?

Hemel: Zunächst einmal ist weniger Geld verhanden. Denn weniger Mitglieder heißt weniger Geld, das ist klar. Das heißt, es kommen massive Finanzprobleme auf die Kirche zu. Zweitens wird es immer schwieriger, in einem vom Fachkräftemangel geprägten Arbeitsmarkt neue Menschen für eine an sich doch sehr sinnvolle und sehr gute Arbeit, die auch nicht schlecht bezahlt ist, zu begeistern.

DOMRADIO.DE: Was bietet denn der Arbeitgeber Kirche seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Hemel: Bis heute einen ziemlich sicheren Arbeitsplatz, eine gute und in aller Regel übertarifliche Bezahlung und vor allem eines: eine richtig sinnvolle Aufgabe. Denn wir erwarten heute als Arbeitssuchende, dass wir in unserer Arbeit auch was bewirken können, was Gutes für die Gesellschaft und auch für uns selbst tun. Dass das mit dem Thema Sinn, mit dem, was man heute "purpose" nennt, verbunden wird, bietet Kirche in reichem Maße. Aber es kommt nicht ausreichend rüber.

DOMRADIO.DE: Anfang des Jahres hat die Aktion #OutinChurch gezeigt, wie diskriminierend das kirchliche Arbeitsrecht ist. Zum Beispiel können wiederverheiratete Geschiedene oder Menschen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, ihren Job verlieren, weil ihr Lebensentwurf gegen die Lehre der katholischen Kirche verstößt. Denken Sie auch, dass das dazu führt, dass weniger Menschen für die katholische Kirche arbeiten wollen?

Prof. Dr. Ulrich Hemel

"Wir möchten als Gesellschaft einen inklusiven Weg beschreiten. Aber der ist im kirchlichen Arbeitsrecht noch nicht vollkommen abgebildet."

Hemel: Ja, selbstverständlich. Das geht aus vielen Gesprächen hervor. Denn wir reden teilweise von Lebensrisiken, die Sie gar nicht vermeiden können. Jeder, der heute heiratet, muss mit dem Risiko leben, dass die Ehe vielleicht doch nicht bis zum Tod dauert. Wer dann die Kirche als Arbeitgeber aussucht, hat ein Risiko. Das vermeiden Menschen auch aktiv.

Darüber hinaus hat sich unsere Gesellschaft längst geändert und möchte einen inklusiven Weg beschreiten. Aber der ist im kirchlichen Arbeitsrecht noch nicht vollkommen abgebildet.

DOMRADIO.DE: Aber das soll sich ändern, oder?

Hemel: Das soll sich ändern. Das muss sich auch ändern. Wir haben bis heute ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht, den sogenannten "Dritten Weg". Auch hier gibt es selbstverständlich Diskussionen, ob das heute noch in dieser Form zeitgemäß ist.

DOMRADIO.DE: Was muss sich denn ändern, damit Menschen wieder gerne für die Kirche arbeiten?

Prof. Dr. Ulrich Hemel

"In vielen Fällen hängt Kirche, in der Art und Weise, wie Teams arbeiten, wie Führung ausgeübt wird, hinter den Betrieben in der säkularen Welt hinterher."

Hemel: Zunächst einmal denke ich an die Führungskultur in der Kirche. Denn in vielen Fällen hängt Kirche, in der Art und Weise, wie Teams arbeiten, wie Führung ausgeübt wird, hinter den Betrieben in der säkularen Welt hinterher.

Wir brauchen Verantwortung. Aber in vielen Fällen ist Verantwortung in der Kirche so verteilt, dass man am Ende tatsächlich gar nicht mehr weiß, wer jetzt für eine Entscheidung oder noch schlimmer das Unterlassen und Aufschieben einer Entscheidung zuständig ist. Das ist eines der unerkannten Hauptprobleme in der Kirche.

DOMRADIO.DE: Was fordern Sie als Bund der Katholischen Unternehmer?

Hemel: Eine große Initiative "Führungskultur und Arbeitsfreude" in der Kirche. Das brauchen wir, das brauchen wir auf allen Ebenen. Dann werden wir auch wieder attraktiv sein.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Bund Katholischer Unternehmer

Dem 1949 gegründeten Bund Katholischer Unternehmer e.V. (BKU) gehören mehr als 1.100 Inhaber-Unternehmer, Selbstständige und leitende Angestellte an.

Der BKU ist in 34 Diözesangruppen gegliedert. In den Arbeitskreisen des Verbandes entstehen innovative Konzepte zur Wirtschafts- und Sozialpolitik und zur werteorientierten Führung.

Der BKU wirkt als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Kirche und Politik. (BKU)

Geschäftsfrau am Schreibtisch / © Natee Meepian (shutterstock)
Geschäftsfrau am Schreibtisch / © Natee Meepian ( shutterstock )
Quelle:
DR