Unions-Arbeitnehmergruppe kritisiert christliche Gewerkschaften

"Billiger Jakob"

Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Bundestags-Unionsfraktion, Peter Weiß, hat dem Christlichen Gewerkschaftsbund (CGB) unchristliches Verhalten bei Tarifabschlüssen vorgeworfen. Im KNA-Interview fordert er zugleich den DGB auf, offener für Mitglieder der Unionsparteien zu sein.

 (DR)

KNA: Herr Weiß, seit vielen Monaten gibt es Diskussionen über das Engagement des Christlichen Gewerkschaftsbundes im Bereich der Zeitarbeit und der Wachdienste. Wie bewerten Sie das Engagement des CGB?
Weiß: Der Christliche Gewerkschaftsbund hat durchaus in einigen Bereichen engagierte Mitglieder und auch Betriebsräte. So kenne ich persönlich etliche zum Beispiel in der Metallverarbeitung oder bei Sparkassen und Volksbanken.

Aber zu Recht entzündet sich Kritik daran, dass eine Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften in Bereichen wie der Zeitarbeit Tarifverträge abschließt, ohne dass überhaupt nur bekannt ist, dass aus diesem Bereich nennenswert Mitglieder bei christlichen Gewerkschaften organisiert wären. Und zwar Tarifabschlüsse, die deutlich unter dem Niveau anderer Tarifverträge in der Zeitarbeit liegen. Ich gehe davon aus, dass das Bundesarbeitsgericht demnächst die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin bestätigt, dass diese Gemeinschaft gar nicht die Eignung zu Tarifabschlüssen besitzt.

KNA: Ärgert es Sie als CDU-Politiker, dass christliche Gewerkschaften so in Verruf kommen?
Weiß: Gerade wenn man das Adjektiv «Christlich» im Namen führt, sollte man tunlichst vermeiden, dass christlich gleich billig ist. Das wäre unchristlich. Dann sollte man eher auf diesen Namen verzichten.

KNA: Der CGB spricht auf seiner Homepage davon, Höchstleistungen in der Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen zu bieten. Dazu sei eben Wettbewerb notwendig.
Weiß: Der Christliche Gewerkschaftsbund versucht, an die Tradition der christlichen Gewerkschaften vor der Bildung der Einheitsgewerkschaft, also vor dem Zweiten Weltkrieg, anzuknüpfen und die Ideen der christlichen Soziallehre im Arbeitsleben zu verwirklichen. Wenn er diesem selbstgesetzten Anspruch gerecht werden will, müsste er die Lehre vom gerechten Lohn, wie sie Päpste seit Leo XIII. wiederholt anmahnten, in seinem praktischen Handeln umsetzen.

Die CGB-Tarifverträge im Bereich der Zeitarbeit werfen die Frage auf, ob das noch etwas mit gerechtem Lohn zu tun hat. Es fällt doch auf, dass man sich im Bereich der Zeitarbeit bei Tarifverhandlungen gegenseitig im Lohn unterbietet. Man würde genau das Gegenteil erwarten. Ich frage mich: Müsste nicht eigentlich der Zeitarbeiter mehr verdienen als der fest angestellte Mitarbeiter? Der Zeitarbeiter setzt sich ja einem ganz besonderen Stress aus. Er ist bereit, jeden Tag oder jede Woche an einer anderen Stelle zur Arbeit zu erscheinen, um Produktionsspitzen im Betrieb abzudecken.

KNA: Wie sehr hängt das Phänomen CGB auch mit der Rolle der Einheitsgewerkschaft zusammen?
Weiß: Es war eine großartige Idee nach dem Zweiten Weltkrieg, die Spaltung der Gewerkschaftsbewegung aus den Zeiten der Weimarer Republik durch die Idee einer Einheitsgewerkschaft abzulösen, in der sozialistische, sozialdemokratische, christliche, liberale Gewerkschaften unter einem gemeinsamen Dach zusammenkommen. Es hat dann sehr früh erste Abspaltungen gegeben, und 1959 kam es zur Gründung des Christlichen Gewerkschaftsbundes. Wie meist bei einer Trennung liegt die Schuld nicht nur an einem.

Nach meiner Überzeugung könnten die DGB-Gewerkschaften mehr tun, um christlich orientierte oder bei den Unionsparteien engagierte Mitglieder einzubinden, sie stärker in Gewerkschaftsgremien wie auch als hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu berücksichtigen. Aber wir haben in Deutschland Koalitionsfreiheit. Deswegen spricht im Prinzip nichts dagegen, dass es auch im Arbeitnehmerbereich konkurrierende Organisationen gibt.

KNA: Im vorigen Jahr haben sich katholische Betriebsseelsorger explizit vom Christlichen Gewerkschaftsbund distanziert. Ruiniert diese Gewerkschaft ihren Ruf?
Weiß: Wenn der Christliche Gewerkschaftsbund dem «Christlich» in seinem Namen auch in Zukunft Ehre erweisen will, sollte er aufhören, sich als billiger Jakob zu verkaufen. Ich respektiere und anerkenne das zum Teil wirklich großartige Engagement vieler christlicher Gewerkschafter, Betriebs- und Personalräte. Aber ich habe genauso wie die Betriebsseelsorger wenig Verständnis dafür, wenn Verträge abgeschlossen werden, die zu einer Verlotterung der Sitten im Tarifgefüge beitragen und eben nicht zu einer Etablierung angemessener Tarife in so schwierigen, ja prekären Beschäftigungsverhältnissen wie der Zeitarbeit. Im übrigen werden jetzt erfreulicherweise auch innerhalb des CGB eine Kurskorrektur und eine Änderung der Zeitarbeitstarifverträge gefordert.

KNA: Nicht wenige denken bei dem Namen der Gewerkschaft an eine besondere Nähe zu den C-Parteien oder zur Kirche.
Weiß: Der Christliche Gewerkschaftsbund ist gewiss ein Zusammenschluss auch engagierter Christinnen und Christen. Aber er ist weder eine kirchliche Gewerkschaft noch eine Gewerkschaft der Kirchen und er ist auch keine Gewerkschaft der CDU oder CSU. Von den Zahlenverhältnissen her beteiligen sich wahrscheinlich weit mehr engagierte Christinnen und Christen und Mitglieder der CDU und CSU in den DGB-Gewerkschaften als in den CGB-Gewerkschaften.

KNA: Wie wichtig ist - allgemein und für Ihre Partei - angesichts der Finanzkrise eine Rückbesinnung auf grundlegende Prinzipien der christlichen Soziallehre?

Weiß: Die Finanz- und Kapitalmarktkrise hat deutlich gemacht, dass ohne eine klare ethische Grundorientierung in Wirtschaft und Politik ein reiner Marktradikalismus nicht zu Wohlstand, sondern ins Chaos und in die Katastrophe führt. Deshalb gibt es erfreulicherweise eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte der Sozialen Marktwirtschaft. Im Bereich der Wirtschaft wie der Politik gibt es ein neues Suchen nach ethischer Orientierung.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, berichtet, dass er sich vor Anfragen zu wirtschaftsethischen Vorträgen kaum retten kann. Dieses neue Interesse sollten wir nutzen. Die christliche Soziallehre hat eine Chance, grundlegende Prinzipien wieder stärker in die öffentliche Diskussion einzubringen. Die Anhänger marktradikaler und neoliberaler Thesen sind doch bemerkenswert kleinlaut geworden.

Interview: Christoph Strack