Union bleibt trotz Prüfung von Paragraf 218 optimistisch

"Ich sehe keine Mehrheit für die Streichung"

Die Ampelkoalition prüft Paragraf 218, der eine Abtreibung nach der 12. Woche unter Strafe stellt. Im Interview zeigt sich der rechtspolitische Sprecher der Union, Günther Krings, zuversichtlich, dass dieser Straftatbestand bleibt.

Anwältin mit Gesetztestext / © Kzenon (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Die Kommission startet mit einer schweren Hypothek, haben Sie vor ein paar Tagen verlauten lassen. Was genau meinen Sie damit? 

Günther Krings (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages / © Fabian Sommer (dpa)
Günther Krings (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages / © Fabian Sommer ( dpa )

Dr. Günther Krings (Rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion): Die Fragestellung, die in der Kommission gegeben wird, stößt natürlich, um es vorsichtig zu formulieren, an die Grenzen unserer Verfassung. Denn nicht nur das Persönlichkeitsrecht der Mutter spielt eine ganz wesentliche vom Grundgesetz geschützte Rolle, sondern auch der Lebensschutz des ungeborenen Lebens, was sich ja im Mutterleib nicht erst "zum Menschen", sondern schon "als Mensch entwickelt", so die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts in der immer noch gültigen Judikatur.

Insofern haben wir bzw. meine Vorgängerinnen und Vorgänger nicht aus einem Übermut heraus den Paragrafen 218 ins Strafgesetzbuch geschrieben, sondern weil das Bundesverfassungsgericht dazu ausdrücklich aufgefordert hat.

Dr. Günther Krings (rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion)

"Die Fragestellung, die in der Kommission gegeben wird, stößt an die Grenzen unserer Verfassung."

Jetzt gibt es eine Kommission, die die Aufgabe hat, diese verfassungsrechtlichen Grenzen – definiert und interpretiert durchs Bundesverfassungsgericht – zu durchstoßen oder jedenfalls darüber nachzudenken. Das ist problematisch. Und ich finde es auch problematisch, wenn uns der Bundesjustizminister versichert: An den Paragrafen 218 gehen wir nicht ran. Der Bundesjustizminister war federführend bei der Abschaffung des Werbeverbots, also der Erlaubnis für Werbung für Abtreibung, die wir auch kritisch sehen, weil es eben kein normaler medizinischer Eingriff ist.

Aber jetzt stellt man es doch mindestens mal auf den Prüfstand. Das ist eine schwierige Aufgabe für die neue Kommission.

Lisa Paus, Bündnis 90/Die Grünen, Bundesfamilienministerin / © Carsten Koall (dpa)
Lisa Paus, Bündnis 90/Die Grünen, Bundesfamilienministerin / © Carsten Koall ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ministerin Paus spricht zumindest davon, das an anderer Stelle neu regeln zu wollen. Für sie ist das Strafgesetzbuch nicht der richtige Ort, Schwangerschaftsabbrüche zu regeln. Ist das nicht ein Punkt, den Sie nachvollziehen können?

Krings: Die zentrale Frage ist natürlich, ob es eine strafbewehrte Vorschrift bleibt oder nicht. Es gibt natürlich auch Stimmen, die sagen, es darf gar nicht mehr strafbar sein. Und da haben wir jedenfalls verfassungsrechtliche Bedenken. Jetzt kann man sich über das genaue Gesetz unterhalten. Aber auch da ist es sinnvoll, dass wesentliche Straftatbestände ins Strafgesetzbuch gehören.

Die Ampel selber hat im Koalitionsvertrag eine einzige Strafverschärfung vorgeschlagen, nicht etwa zum Thema Kinderschutz, da haben wir bestimmte Verschärfungen dringend angeregt. Die einzige Strafverschärfung, die die Ampel im Koalitionsvertrag vorschlägt, ist, den Tierschutz aus dem Tierschutzgesetz als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch zu holen. Warum macht sie das? Um eine stärkere Signalwirkung zu haben. Und wenn das in dem Bereich gilt, dann sollte sich die Ampel nicht dem Verdacht aussetzen, das ungeborene Leben weniger gut zu schützen. Insofern hat das auch eine Signalwirkung, dass es im Strafgesetzbuch steht.

Das Ziel von einigen jedenfalls – ich unterstelle das keinem der Kommissionsmitglieder, weil ich die eigentlich gar nicht kenne – im Familienministerium ist es, den Paragrafen ganz straflos zu stellen. Und das würde eben auf die Bedenken stoßen, die ich eben dargestellt habe.

DOMRADIO.DE: Nun sagen ja Kritikerinnen und Kritiker immer wieder, das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs durch das Strafrecht sei eine Bevormundung gegenüber Frauen. Es stigmatisiere Frauen, Ärztinnen und Ärzte. Sind das Argumente, mit denen Sie etwas anfangen können?

Dr. Günther Krings (rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion)

"Es geht ja nicht um irgendeinen medizinischen Eingriff, sondern es geht um die Tötung menschlichen Lebens. (...) Insofern muss es auch anders bewertet werden. 

Krings: Nein, ich nehme es erst mal ernst, so wie man jedes Argument, was in einem demokratischen Diskurs vorgebracht werden muss, ernst nehmen muss. Aber ich glaube, dass diese Argumentation einen ganz wesentlichen Punkt ausblendet: Es geht ja nicht um irgendeinen medizinischen Eingriff, sondern es geht um die Tötung menschlichen Lebens. Und das ist auch, glaube ich, ziemlich eindeutig nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so zu bewerten. Insofern muss es eben auch anders bewertet werden und kann man es auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich unterstelle es auch niemandem, der diese schwierige Entscheidung trifft.

Schwangere Frau mit Ultraschallbild / © Natalia Deriabina (shutterstock)
Schwangere Frau mit Ultraschallbild / © Natalia Deriabina ( shutterstock )

Aber so sehr das Persönlichkeitsrecht der Mutter geschützt ist, ist eben auch das ungeborene Leben geschützt. Das ist ein schwieriger und damals gesellschaftspolitischer Kompromiss. Den jetzt leichtfertig aufzukündigen kann zu problematischen Wirkungen führen, wie man es in Amerika, Polen und in anderen Ländern sehen kann. Deshalb halten wir es einfach für eine gefährliche Debatte, die da wieder aufgemacht wird.

Dr. Günther Krings (rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion)

"Am Ende entscheidet die Mutter, ob eine Abtreibung erfolgt oder nicht. Das kann niemand anderes entscheiden."

Bayern: Abschaffung des Paragrafen 218 wäre verfassungswidrig

Bayern will das bestehende Abtreibungsrecht erhalten und gegen eine mögliche Abschaffung des Paragrafen 218 notfalls vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Die bayerische Familien- und Frauenministerin Ulrike Scharf (CSU) sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Mittwoch): "Ein Schwangerschaftsabbruch beendet Leben." Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) ignoriere das mit ihrem Plan, den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetz zu streichen.

Logos der Unionsparteien CDU und CSU / © Tobias Hase (dpa)
Logos der Unionsparteien CDU und CSU / © Tobias Hase ( dpa )

Und noch einmal: Am Ende entscheidet die Mutter, ob eine Abtreibung erfolgt oder nicht. Das kann niemand anderes entscheiden, so meine Auffassung. Insofern ist es klar, dass die Rechte der werdenden Mutter klar im Mittelpunkt stehen. Und den einzigen Schutz, den das ungeborene Leben hat, ist ein relativ formalisiertes Verfahren mit einer Beratungspflicht, wo es zumindest die Chance zum Leben hat.

Deshalb muss man das auch ernst nehmen und muss auch sagen, dass es eine strafrechtliche Folge haben muss, wenn man es dann ohne Beratung macht. Das halte ich schon für richtig. Wir weisen ja den Müttern einen Weg, wie sie die Abtreibung vornehmen lassen können, wenn sie sich dafür entschieden haben oder dafür entscheiden. Das ist auch wichtig. Am Ende muss die Mutter entscheiden. Aber es gibt bestimmte Verfahrensregeln, die dem ungeborenen Leben auch einen gewissen Schutz geben müssen.

DOMRADIO.DE: In der Kommission, deren Mitglieder in der vergangenen Woche bekannt gegeben wurden, sitzen 18 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Ethik, Medizin, Verfassungsrecht, Familienrecht und Öffentliches Recht. Vertreter aus Kirche und Theologie sind dagegen nicht beteiligt – und das, obwohl ja der Schutz des werdenden Lebens durchaus ein heißes Eisen für die Kirchen ist. Ist die Besetzung Ihrer Meinung nach gelungen?

Krings: Nein, aus letzterem Grund letztlich nicht. Ich unterstelle erst mal niemanden der 18 Personen etwas Schlechtes. Ich kenne die meisten von denen gar nicht; ich hoffe darauf und unterstelle es erst mal zu ihren Gunsten, dass sie sich auch ernsthaft mit dem Thema beschäftigen wollen. Ich will also niemanden angreifen, der da benannt worden ist.

Aber dass man die Kirche insgesamt außen vor gelassen hat oder sich auch im kirchlichen Umfeld bestimmte ethische Betrachtungen aus meiner Sicht wenig abbilden, halte ich für ein Problem. Das ist aber, glaube ich, Teil eines größeren Grundansatzes dieser Ampelkoalition, so nehme ich es jedenfalls wahr, das Religiöse ins Private abzuschieben.

Dr. Günther Krings (rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion)

"Dass man die Kirchen insgesamt außen vor gelassen hat, halte ich für ein Problem. Das ist, glaube ich, Teil eines größeren Grundansatzes dieser Ampelkoalition, das Religiöse ins Private abzuschieben."

Das ist ein gesellschaftlicher Umbau, der sich nicht nur bei dieser Frage zeigt, die ich für problematisch halte. Man nutzt vielleicht auch eine zurzeit schwierige Lage der christlichen Kirchen – vielleicht gerade der katholischen Kirche – aus, um sozusagen das Religiöse aus dem öffentlichen Bereich wegzuschieben. Das tut der Gesellschaft auf lange Sicht nicht gut.

DOMRADIO.DE: Nun sagen Stimmen, die Kirchen hätten ihr Mitspracherecht bei solchen Themen verspielt oder hätten nicht mehr die gesellschaftliche Relevanz ...

Krings: Wenn die Zahl der Kirchenmitglieder abnimmt, ist die Diskussion natürlich schwieriger oder ist die Stellung der Kirchen nicht mehr so stark, das ist klar. Aber noch sind sehr viele Menschen in Deutschland Mitglied einer der christlichen Kirchen. Insofern ist ihre Relevanz auf jeden Fall noch da.

Natürlich muss man ernst nehmen, welche Verfehlungen und Probleme es in den Kirchen gibt. Aber das kann aus meiner Sicht nicht jegliche Glaubwürdigkeit zerstören. Dafür ist die Geschichte, sind die Wurzeln unserer christlichen Tradition zu groß.

Dr. Günther Krings (rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion)

"Noch sind sehr, sehr viele Menschen in Deutschland Mitglied einer der christlichen Kirchen. Insofern ist ihre Relevanz auf jeden Fall noch da."

Auch andere Institutionen etwa im wissenschaftlichen Bereich, haben nicht immer nur strahlende Zeiten erlebt und sich teilweise schuldig gemacht – wenn man an die dunklen Kapitel der deutschen Geschichte denkt. Deshalb schließt es auch die Wissenschaft nicht aus, weil auch Wissenschaft schließlich zu bestimmten historischen Zeiten korrumpiert hat. Insofern ist das Argument zu einfach, da macht man es sich zu leicht.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Deutschen Bundestag / © Wolfgang Kumm (dpa)
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Deutschen Bundestag / © Wolfgang Kumm ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sollte sich nun Frau Ministerin Paus mit ihren Plänen durchsetzen und sollte es zu einer Streichung des Paragrafen 218 Strafgesetzbuch kommen, wird die Union dagegen nach Karlsruhe ziehen?

Krings: Also ich bin kein Freund davon, schon über verfassungsrechtliche oder juristische Schritte zu sprechen, während wir noch am Anfang einer politischen Diskussion sind, die wir auch mit aller Konsequenz und Klarheit führen werden. Wir wollen diese politische Diskussion erst einmal gewinnen. Ich nehme da den Justizminister beim Wort, der klar gesagt hat, dass Paragraf 218 aus seiner Sicht nicht gestrichen werden soll. Ich nehme ihm das persönlich auch ab, aber er muss dann eben in der Koalition standhalten.

Ich sehe auch nicht, wie es eine Mehrheit für die Streichung von Paragraf 218 geben soll und oder geben kann. Und insofern bin ich sehr, sehr optimistisch, dass aus gutem Grund dieser Straftatbestand bleibt – nicht im Sinne von Diskriminierung, sondern im Sinne von einem angemessenen Ausgleich zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Mutter, der am Ende auch entscheidet, und dem notwendigen Schutz des ungeborenen Lebens.

Das Interview führte Moritz Dege. 

Quelle:
DR