Schriftsteller Josef Reding mit 90 gestorben

Unikum der deutschen Nachkriegsliteratur

Er war einer der bekanntesten Schriftsteller der Nachkriegszeit. Jetzt ist Josef Reding, ein Liebhaber der Kurzgeschichte, im Alter von 90 Jahren in Dortmund gestorben.

Autor/in:
Sasche Pöschel
Josef Reding (KNA)
Josef Reding / ( KNA )

Der Mann hat es zu etwas gebracht im Wirtschaftswunderland. Ellebracht ist zum Generalvertreter seiner Firma aufgestiegen und hat den kleinen Volkswagen gegen einen großen Mercedes eingetauscht. Doch die Freude währt nur kurz: Mit dem noch ungewohnten breiteren Fahrzeug hat er einen Radfahrer gestreift und vom Sattel geholt. Der Radfahrer liegt nun mit ausgebreiteten Armen am Straßenrand. Ellebracht hat es im Rückspiegel gesehen. Aus Angst vor den Konsequenzen für seine Karriere und für seine Familie begeht er Fahrerflucht. Doch der umgeknickte Mercedesstern, der ihm nun auf einmal wie ein Kreuz erscheint, erinnert ihn an seine Schuld und seine Menschenpflicht. Er kehrt um und hilft dem Verletzten.

Auseinandersetzung mit sozialen Problemen

"Generalvertreter Ellebracht begeht Fahrerflucht" ist eine der bekanntesten und prägnantesten Erzählungen von Josef Reding. Die Kurzgeschichte war die Domäne des Schriftstellers, der am Freitag im Alter von 90 Jahren in Dortmund gestorben ist. Doch nicht nur mit der Vorliebe für die kleine literarische Form nimmt Reding in der deutschen Nachkriegsliteratur eine Ausnahmestellung ein. Auch in der Verbindung des politisch-sozialen Engagements mit aktiv vertretener christlicher Überzeugung war der Katholik Reding fast so etwas wie ein Unikum in der deutschen Nachkriegsliteratur.

Dass er einmal unter dem Etikett "Arbeiterschriftsteller" firmieren würde, war dem Sohn eines Filmvorführers, der in Castrop-Rauxel zur Welt kam, nicht an der Wiege gesungen. Aber als sein Vater bereits 1950 starb, fühlte sich der damals 21-jährige Abiturient verpflichtet, für seine Mutter und seine drei jüngeren Geschwister zu sorgen. Er arbeitete zwei Jahre lang als Betonarbeiter, bevor er doch noch das Studium der Germanistik und Anglistik aufnahm, das ihn dank eines Stipendiums auch in die USA führte. Es handelte sich um die zweite nachhaltige Begegnung mit amerikanischer Kultur und Lebensart. Nachdem er noch als 15-Jähriger zum "Volkssturm" abkommandiert worden war, geriet er kurzzeitig in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

Autorengruppe "Gruppe 61"

Die amerikanische Literatur hat sein eigenes Schaffen maßgeblich geprägt, auch wenn nicht zu übersehen ist, dass er der aus der US-Tradition kommenden "Short Story" seinen ganz eigenen Stempel aufgedrückt hat, versehen mit dem Flair und dem Ton seiner Heimat, des Ruhrpotts. Bei aller Faszination für die USA konnte Josef Reding die Folgen der Rassendiskriminierung nicht übersehen. 1957 erschien der Geschichtenband mit dem programmatischen Titel "Nennt mich nicht Nigger!"

Nach der Rückkehr aus den USA gingen schriftstellerische Tätigkeit und soziales Engagement bei Reding Hand in Hand. Er machte sich auch als Verfasser von Jugendbüchern, Gedichten und Hörspielen einen Namen, war von 1963 bis 1988 Mitarbeiter der Zeitung "Welt und Arbeit", gründete zusammen mit anderen Autoren des Ruhrgebiets die "Gruppe 61", die eine der sozialen Realität und der Arbeitswelt zugewandte Literatur propagierte.

Mitglied der Synode westdeutscher Bistümer

Als Fernsehdokumentarist reiste er in die ärmsten Regionen Afrikas. Er engagierte sich in der Gewerkschaft und in der Friedensbewegung, von 1971 bis 1975 war er Mitglied der Gemeinsamen Synode der katholischen Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Von den vielen Auszeichnungen, die er im Laufe seines langen Schriftstellerlebens erhalten hat, dürfte ihn eine besonders gefreut haben, dass seit 1988 eine Hauptschule in Holzwickede seinen Namen trägt.

Einige seiner Kurzgeschichten gehörten zum Kanon der deutschen Schulbuchliteratur, er selbst hat unermüdlich in Schulen gelesen. Bis zuletzt hämmerte er seine Texte in eine alte Schreibmaschine, doch auf seine Autobiografie warteten sein Verleger und seine Leser vergebens. Seine Begründung dafür lautete schlicht: "Ich möchte gar nicht so gerne im Mittelpunkt stehen."


Quelle:
KNA