UNICEF: 850.000 irakische Kinder und Jugendliche auf der Flucht

Generation ohne Hoffnung

Zum Weltflüchtlingstag am Freitag hat UNICEF zu verstärkter Hilfe für Kinder im Irak aufgerufen. Allein seit 2006 hätten mehr als 850.000 Kinder und Jugendliche mit ihren Familien ihr Zuhause verlassen und seien seither auf der Flucht, teilte das UN-Kinderhilfswerk mit. Mehr als fünf Jahre nach Beginn des Irak-Krieges könne jedes zweite Kind nicht zur Grundschule gehen, jedes fünfte leide unter chronischer Mangelernährung. Zehntausende Kinder hätten Vater, Mutter, Geschwister oder Verwandte verloren.

 (DR)

«Jeder Fortschritt bei der Sicherheit im Irak muss genutzt werden, um die Lage der Bevölkerung zu verbessern», betonte der Leiter von UNICEF im Irak, Roger Wright. Die Hilfsorganisation, die derzeit zwei Büros in Basra und Erbil unterhält und demnächst auch eines in der Hauptstadt Bagdad wiedereröffnen will, hat eigenen Angaben zufolge in den vergangenen drei Jahren eine Milliarde Liter sauberes Trinkwasser verteilt. Zudem sei seit 2007 der Wiederaufbau von 100 Schulen unterstützt und Unterrichtsmaterial an 4,7 Millionen Kinder verteilt worden.

Besonders besorgt ist UNICEF darüber, dass Kinder offenbar zunehmend selbst zur Teilnahme an Gewaltaktionen gezwungen werden. Auch säßen meist ohne Anklage rund 1.500 Kinder und Jugendliche in Haft. Zudem sei mittlerweile eine ganze Generation von Kindern von teils extremen Gewalterfahrungen geprägt. Einer Studie des irakischen Gesundheitsministeriums zufolge wiesen 30 Prozent der Kinder Anzeichen von Traumata wie Angstzustände, Schlaf- und Konzentrationsstörungen auf. Viele Kinder müssten nach dem Tod ihrer Eltern auch versuchen, auf der Straße Geld zu verdienen.

Rotes Kreuz: Nicht nur christliche Irak-Flüchtlinge aufnehmen
Die von Deutschland angestrebte Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak muss nach Ansicht des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) unabhängig vom religiösen Bekenntnis erfolgen. «Das Maß der Not entscheidet, nicht Religion oder andere Merkmale», schrieb die Vizepräsidentin der Hilfsorganisation, Donata von Schenck zu Schweinsberg, im Berliner «Tagesspiegel» (Mittwochsausgabe).

Die Idee einer selektiven Aufnahme von 30.000 irakischen Flüchtlingen aufgrund ihrer christlichen Glaubenszugehörigkeit, wie es Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf Bitte der beiden großen Kirchen anstrebe, werde «in Brüssel hoffentlich abgelehnt», so die DRK-Vizepräsidentin weiter. Der slowenische EU-Ratspräsident Dragutin Mate habe auf die Einhaltung internationaler Standards verwiesen, die eine Differenzierung nach Religion oder Rasse nicht zulassen.

Die Vertagung einer Entscheidung durch die EU-Innenminister auf September sei allerdings «ein unmenschliches Spiel auf Zeit». Derzeit seien 2,5 Millionen Iraker auf der Flucht. Daher bleibe die Initiative der Bundesregierung wichtig. Für eine Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland böte sich eine «Kontingentlösung» an, wie es sie zuletzt in den 90er Jahren bei den Flüchtlingen aus Bosnien gegeben habe.

Nach den Worten der DRK-Vizepräsidentin lehrt die Vergangenheit, dass eine baldige Rückkehrverpflichtung nicht zur Voraussetzung der Aufnahme gemacht werden dürfe. Wenn Menschen Schutz vor politischer Verfolgung geboten werde, müsse das auch «die Perspektive für ein Leben in Würde und Sicherheit» einschließen.