UNESCO berät über Aberkennung des Welterbetitels

Dresden regelt den Verkehr

Von einer Erhebung in den Adelsstand sprachen die Dresdner, als die Kulturlandschaft des Elbtals vor fünf Jahren in die Welterbe-Liste aufgenommen wurde. Jetzt steht die Stadt offenbar kurz vor der Aberkennung des Titels. Der Schritt wäre für Dresden mehr als ein Imageschaden.

Autor/in:
Birgit Wilke
 (DR)

Grund ist der Bau einer Elbüberquerung, der Waldschlösschenbrücke. Nach Ansicht der Kritiker verschandelt sie die Sicht auf die berühmte barocke Altstadt-Silhouette, zerschneidet das Elbtal und zerstört die Auen am Fluss. Ab dem kommenden Dienstag trifft sich das Welterbe-Komitee der UNESCO in Sevilla und will auch über den Fall Dresden entscheiden.

Es wäre das zweite Mal, dass die UNESCO sich zu einem solchen Schritt entschließt. Vor zwei Jahren erkannte sie einem Naturschutzgebiet in Oman den Titel ab. Schon jetzt ist klar, dass es für Dresden nicht nur einen Imageschaden zur Folge hätte. Das Bundesbauministerium kündigte bereits an, dass es dann weitere Dresdner Projekte nicht mehr aus dem Welterbestätten-Bundesprogramm fördern werde. Mit dem Geld wollte die Stadt unter anderem das im Welterbegebiet gelegene Lingnerschloss sanieren.

Auf der Roten Liste der gefährdeten UNESCO-Welterbestätten steht das Elbtal bereits seit Juli 2006. Nach jahrelangem Rechtsstreit begannen die Bauarbeiten im November 2007. Läuft alles nach Plan, geht die Brücke 2011 in Betrieb. Geplant wurde sie bereits in den 90er Jahren, "um den wachsenden Verkehr besser zu kanalisieren", wie die Planer argumentieren. 2005 hatte bei einem Bürgerentscheid die Mehrheit für das 160-Millionen-Euro-Projekt votiert.

In den Bewerbungsunterlagen für den Welterbe-Titel wurde das Brückenprojekt auch aufgeführt, jedoch der Standort laut UNESCO nicht korrekt angegeben. In den Dokumenten sei die Distanz zur Altstadt mit fünf Kilometer angegeben worden, tatsächlich seien es aber zwei. Dies beeinträchtige das Panorama erheblich, das schon den italienischen Maler Canaletto (1721-1780) zu seinen berühmten Dresden-Gemälden inspirierte.

Nach den Erfahrungen mit dem Kölner Dom, der vor fünf Jahren wegen eines inzwischen aufgegebenen Hochhaus-Projektes auch auf die Roten Liste kam, mahnte die Bundesregierung die Stadt Dresden zu mehr Rücksicht. Eine "Berliner Initiative" für das Elbtal, der auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse angehört, kritisierte "die klobige Betonkonstruktion mit ihren riesigen Auffahrtrampen" und rief die Verantwortlichen auf, das Projekt aufzugeben. Doch bislang blieben solche Appelle vergeblich. Der Freistaat Sachsen und die Stadt bleiben hartnäckig, sie schlugen eine Tunnel-Lösung ebenso aus wie den Bau einer eleganteren Brücke.

Nach Auffassung von Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) sind Titel und Brücke durchaus vereinbar. Auch Bischof Joachim Reinelt verteidigte das Bauvorhaben. Es wäre ein sträflicher Fehler, das Votum der Bevölkerung nicht zu respektieren, betonte der Bischof des Bistums Dresden-Meißen. Das Elbtal sei eine Kulturlandschaft, die sich weiterentwickle.

In Sevilla will Orosz jetzt für eine erneute Vertagung der Entscheidung werben. Ihr Ziel ist es, einen Aufschub bis nach Vollendung der umstrittenen Waldschlösschenbrücke zu erreichen. Dies gilt aber als unwahrscheinlich - nicht zuletzt, weil es die Glaubwürdigkeit der UNESCO infrage stellen könnte. Zudem sickerte bereits vor einem Monat durch, dass das Welterbezentrum in Paris anscheinend eine Beschlussvorlage zur Aberkennung für die Tagung in Spanien vorbereitet hat.