UN-Abstimmung über Palästina Thema im Bundestag

Angst vor Eskalation in Nahost

Vor der geplanten UN-Abstimmung über einen unabhängigen Staat Palästina wächst in Deutschland die Sorge über eine Eskalation des Nahost-Konflikts. Bei einer Bundestagsdebatte am Freitag mahnten die Abgeordneten parteiübergreifend eine gemeinsame Haltung der europäischen Staaten in der Frage an.

 (DR)

Bei der am 19. September beginnenden Vollversammlung der Vereinten Nationen will die palästinensische Regierung von Präsident Mahmud Abbas einen Antrag auf Anerkennung als vollständiges Mitglied stellen.



Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU) sagte voraus, selbst wenn die Mehrheit der Staaten zustimme, werde sich für die Palästinenser vor Ort wenig ändern. Die Enttäuschung der Menschen wäre vorherbestimmt, das Risiko einer gewaltsamen Eskalation würde steigen.



Polenz wies auf die aktuelle Krise zwischen Israel und der Türkei hin sowie auf die Veränderungen durch den Arabischen Frühling. Die arabischen Proteste seien bislang nicht antiisraelisch, betonte er. Doch das könne sich ändern. Aus dem Grund und auch im Streit mit der Türkei habe Israel mehr zu verlieren als seine Nachbarn. Auslöser für die türkisch-israelische Krise ist die Weigerung Israels, sich für den Einsatz gegen die Gaza-Hilfsflotte im vergangenen Jahr zu entschuldigen, bei dem neun türkische Aktivisten getötet wurden.



FDP-Außenexperte Rainer Stinner äußerte sich ebenfalls besorgt und zeigte sich mit Blick auf die UN-Sitzung offen für die sogenannte Vatikan-Lösung. Wie der Heilige Stuhl würde Palästina zum "beobachtenden Nicht-Mitgliedsstaat" aufgewertet. Allerdings hätte dies noch keine völkerrechtlichen Konsequenzen. Palästina könnte zum Beispiel nicht automatisch Israel vor dem Internationalen Strafgerichtshof anklagen. Die Bundesregierung lehnt die Anerkennung eines unabhängigen Palästinenserstaates gegen den Willen Israels ab und warnt vor "einseitigen Schritten".



Opposition kritisiert Vorfestlegung Merkels

Die Opposition kritisierte diese Haltung. Der SPD-Außenpolitiker Günter Gloser beklagte, die Regierung habe mit ihrem "Alleingang" die Möglichkeiten einer gemeinsamen Haltung der EU minimiert. Die Außenexpertin der Grünen, Kerstin Müller, bezeichnete die Vorfestlegung als kontraproduktiv und völlig überflüssig. Sie appellierte an die Regierung, ihr voreiliges Nein zu revidieren, offen in die Gespräche zu gehen und sich um eine gemeinsame europäische Position zu bemühen.



Linksfraktionschef Gregor Gysi erklärte, viele europäische Staaten seien für eine Anerkennung eines unabhängigen Staates Palästina. "Haben die alle Unrecht?" Die Israelis seien längst Vollmitglied der Vereinten Nationen, die Palästinenser dagegen nicht. Daran etwas zu ändern, sei sicher nicht einseitig.



Gysi plädierte vehement für ein Ja zu dem Antrag der Palästinenser. Eine Anerkennung durch die UN würde die Rolle der Palästinenser stärken, ohne Israel zu schwächen, argumentierte er. Das könne positive Auswirkungen auf die Friedensverhandlungen zwischen beiden Seiten haben.



Die Grünen-Politikerin Müller räumte ein, die weitere Entwicklung nach der Abstimmung in der UN-Generalversammlung sei nicht absehbar. Zu einer Zwei-Staaten-Lösung gehöre aber langfristig die Anerkennung Palästinas. Und das Votum der UN könnte Frustration bei den Palästinensern abbauen.



Der genaue Inhalt des palästinensischen Antrags ist noch nicht bekannt, international wird derzeit um einen Kompromiss gerungen. Vor dem Hintergrund wird Außenminister Guido Westerwelle am Sonntag zu politischen Gesprächen in den Nahen Osten reisen. Der FDP-Politiker kommt zu Beginn des Besuchs mit Abbas zusammen. Am Montag wird er mit Jordaniens König Abdullah II. beraten und anschließend mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Außenminister Avigdor Lieberman sprechen.



Wie dapd aus Ministeriumskreisen erfuhr, soll in den vertraulichen Gesprächen ausgelotet werden, wie eine Eskalation des Konflikts angesichts der bevorstehenden UN-Versammlung verhindert werden kann.