Umweltstiftung WWF warnt vor Ausbreitung von Todeszonen am Meeresgrund

Flächendeckende Algenblüte in der Ostsee

Das hochsommerliche Wetter in Nord- und Mitteleuropa hat in den vergangenen zwei Wochen zu einem explosionsartigen Algenwachstum in der Ostsee geführt. In den Oberflächenzonen des Brackwassermeeres haben sich nahezu flächendeckend Blaualgen ausgebreitet. Umweltschützer sind alarmiert.

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ddp
 (DR)

Die Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) sprach am Mittwoch von einem etwa 1600 Kilometer langen und 190 Kilometer breiten Algenfilm. Mittlerweile seien bereits 377 000 Quadratkilometer der Wasseroberfläche der Ostsee von einer Schicht aus Blaualgen bedeckt, sagte eine Sprecherin in Hamburg. Damit sei das Binnenmeer inzwischen zu 90 Prozent von einem Algenproblem betroffen. Der aktuelle Algenfilm sei der größte, der seit 2005 in der Ostsee beobachtet wurde.

Beobachtungen zufolge erstreckt sich die Algenblüte derzeit von Finnland bis in die Kurische Nehrung, die Pommersche Bucht und nordwestlich von Rügen. In den deutschen Küstengewässern sind bislang besonders das Achterwasser und das Oderhaff sowie der Strelasund betroffen. «Und der Sommer hat gerade erst begonnen», sagte der Stralsunder WWF-Projektleiter Jochen Lamp, der eine Algenplage an der deutschen Ostseeküste nicht mehr ausschließt.

Hohe Temperaturen, wenig Wind und ein überdüngtes Meer
Ursache für das Sauerstoff entziehende Massenauftreten von Blaualgen seien die hohen Temperaturen, wenig Wind und ein überdüngtes Meer. Zwar seien Algenblüten ein durchaus normales Phänomen, sagte der Ostsee-Experte. Doch aufgrund des hohen Nährstoffgehalts in der Ostsee vermehrten sich die Algen jetzt explosionsartig. Durch den Sauerstoffentzug würden im Meer viele Pflanzen absterben und am Meeresgrund regelrechte Todeszonen mit giftigem Schwefelwasserstoff entstehen. Nach dem vergleichsweise geringem Frischwasseraustausch mit der Nordsee in den vergangenen 20 Jahren sei bereits auf einem Sechstel des Ostseegrundes kein Leben mehr möglich.

Größter Verschmutzer sei nach wie vor die von der EU subventionierte Landwirtschaft in den Ostseeanliegerstaaten, sagte Lamp. Noch immer würden jährlich etwa 550 000 Tonnen Stickstoff und 28 000 Tonnen Phosphor aus Düngemitteln in das Meer gespült. Zwar hätten sich die Anrainer vor drei Jahren in der Ostseeschutzkommission HELCOM verpflichtet, den Jahreseintrag um rund 130 000 Tonnen Stickstoff und 15 000 Tonnen Phosphor zu senken. Dennoch steige die Belastung zum Beispiel durch die polnische Landwirtschaft weiter an. Hinzu kämen steigende Belastungen durch die Abwassereinleitung einer immer größer werdenden Zahl von Kreuzfahrtschiffen.

Jahrzehntelange Schäden
Lamp sagte, selbst optimistische Prognosen gingen inzwischen davon aus, dass die Ostsee sehr viele Jahre benötige, um sich wieder zu erholen. Im Durchschnitt dauere es etwa 30 Jahre, bis der gesamte Wasserkörper einmal komplett ausgetauscht sei. «Wir können also nur davor warnen, von den gesteckten Umweltzielen abzuweichen», unterstrich Lamp. Er verwies darauf, dass in den nächsten Jahren infolge des Klimawandels im Küstenraum mit stärkeren Niederschlägen zu rechnen sei, die über die Zuflüsse zu noch größeren Nährstoffeinträgen in die Ostsee führen könnten.