Umgestaltung der einstigen "Ordensburg" Vogelsang auf den Weg gebracht

Vom NS-Schulungsgebäude zur demokratische Bildungsstätte

Die Straße steigt an, streicht über die Hochebene und ermöglicht Fernsichten bis nach Belgien. In diesem schönen, aber rauen Landstrich der Nordeifel befindet sich mit der "Ordensburg Vogelsang" die drittgrößte bauliche Hinterlassenschaft des "Dritten Reichs". Jetzt soll das Gelände zu einer internationalen Bildungsstätte umgestaltet werden.

Autor/in:
Christoph Wilmer
 (DR)

Erbaut von 1934 bis 1940 ist sie vermutlich eine der ungewöhnlichsten Herausforderungen des Strukturwandels im veränderungserprobten NRW. Größe, abseitige Lage und die schwierige Vergangenheit wollen bewältigt werden.

Ursprünglich sollte der Gebäudekomplex eine Ausbildungsstätte für die Führung von Partei und Staat im "Dritten Reich" werden. Dafür wollten die Nationalsozialisten hier und in drei weiteren Einrichtungen den geeigneten neuen Menschen schaffen. Großmäulig sprachen sie von "Ordensburgen". Von 1936 bis 1939 wurden hier nicht Schüler unterrichtet, sondern "Junker". 1941 nutzten Adolf-Hitler-Schulen den Komplex, der 1944 durch Luftangriffe schwer beschädigt wurde.
Der Zweite Weltkrieg hatte den Plänen der Nationalsozialisten schnell den Boden entzogen. Nach Kriegsende zunächst von britischen Soldaten genutzt, verwendeten anschließend jahrzehntelang belgische Soldaten den Ort als Truppenübungsplatz. Der mit seiner Geschichte belastete Gebäudebestand blieb - versteckt im Sperrgebiet - dabei erhalten. Anfang 2006 zogen die belgischen Truppen ab, und das Gelände steht seitdem Besuchern offen. Und sie kommen in Massen, 185.000 waren es allein im vergangenen Jahr.

Bis heute ist es schwierig, sich dem Zusammenwirken von Gebäuden und Landschaft über dem Urftsee zu entziehen. Doch was tun mit dem Erbe der 100 Hektar großen Fläche und den seit 1989 denkmalgeschützten Baumassen? Erdrückend sind nicht nur die erwarteten Kosten für Sanierung und Erhalt der Gebäude, sondern auch die Schwierigkeiten, den Ort inhaltlich angemessen zu nutzen.

Planungen sehen Mischnutzung vor
Seit 2001 diskutieren verschiedene Seiten Nutzungsmöglichkeiten: Kreis, Land, Bund, Euregionale 2008, dazu eine erfreulich konstruktiv-kritische und kundige Bürgerbewegung. Ein Beirat wurde mit anerkannten Wissenschaftlern besetzt und eine Machbarkeitsstudie erstellt. Ziel der Planungen ist seitdem eine Mischnutzung, verbunden mit der Hoffnung, dass Vogelsang sich wirtschaftlich einst selbst tragen wird.

Ein Besucherzentrum mit Gastronomie ist nun erste Anlaufstelle für die Gäste, hier werden Führungen und vertiefende Bildungsangebote vermittelt. Der Nationalpark Eifel bringt zudem in einem Teil der Gebäude seine Verwaltung und ein Parkzentrum unter. Eine Ausstellung und Dokumentation zur NS-Zeit soll die Geschichte des Ortes aufarbeiten. Eine Ausstellung über Geschichte und Kultur der Eifel soll für eine regionale Anbindung sorgen.

Neubauten für Bildungszentrum geplant
Das Deutsche Jugendherbergswerk wird eine internationale Bildungsstätte für Jugendliche und junge Erwachsene aufbauen. Die renommierte katholische Thomas-Morus-Akademie in Bensberg erarbeitet Pläne für Inhalt und Betrieb. Mit einem "Dachmarkenkonzept" werden die neuen Nutzungen verknüpft. Es akzeptiert die Belastung durch die Geschichte und sieht sie gleichzeitig als Chance, ebenso wie die Lage im Dreiländereck Deutschland-Belgien-Niederlande mitten in Europa. Und es soll verhindert werden, dass die Anlage zu einem Treffpunkt für die rechte Szene wird.

Bei der künftigen Ausrichtung werden Vertiefung von Demokratie- und
Friedensbewusstsein, Europäische Integration und Menschenrechtsbildung im Vordergrund stehen. Die Geschichte des Ortes soll nicht versteckt, aber "gebrochen" werden, wie es in einem Bericht der Standortenwicklungsgesellschaft heißt. Vorschläge der Entwickler des Dachmarkenkonzeptes zu möglichen Formen einer solchen Brechung führten bereits zu heftigen Diskussionen. Die mögliche Umgestaltung des alten, funktionsfähigen Schwimmbades mit Nazi-Wandskulptur zur "Hallenbar", also zu einem Café auf einer Glasplatte über dem Wasserbecken etwa sorgte für Kritik in der Bürgerschaft.

Im Dezember 2007 stieß die NRW-Landesregierung mit einer Leitentscheidung den Beginn einer zweijährigen Planungsphase für die Umgestaltung der Gebäude rund um den zentralen Adlerhof an. 27 Millionen Euro aus verschiedenen öffentlichen Töpfen wurden dafür zugesagt. Noch in diesem Jahr sollen die Ergebnisse eines Architektenwettbewerbs präsentiert werden. Derzeit steht die Fertigstellung der Gebäude rund um den Adlerhof auf dem Programm. In diesem zentralen Teil befindet sich das Besucherzentrum, auch Ort für Dokumentation und Ausstellungen. Folgen werden Neubauten für das europäische Bildungszentrum von Jugendherbergswerk und Thomas-Morus-Akademie. In einer dritten Entwicklungsstufe soll auch der belgische Kasernenbereich neu genutzt werden. Hier kann sich die Phantasie austoben, konkrete Planungen fehlen noch.