Ukraine: Tausende fordern Rücktritt der Regierung

"Wir werden nicht innehalten"

Mit Dauerprotesten legt die ukrainische Opposition um Boxweltmeister Klitschko das Zentrum der Millionstadt Kiew und das Regierungsviertel lahm. Sie wirft der Führung eine antieuropäische Politik vor.

Pro-europäische Proteste in Kiew (dpa)
Pro-europäische Proteste in Kiew / ( dpa )

Bei erneuten Protesten in der Ukraine haben Tausende Oppositionsanhänger das Regierungsviertel in Kiew blockiert und Ministerpräsident Nikolai Asarow zum Rücktritt aufgefordert. Ein Amtsverzicht des engen Vertrauten von Staatschef Viktor Janukowitsch wäre ein "erster wichtiger Schritt" zur Bewältigung der politischen Krise in der früheren Sowjetrepublik, sagte Arseni Jazenjuk von der Vaterlandspartei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Hunderte Demonstranten hielten weiter die Gewerkschaftszentrale und das Rathaus der Millionenmetropole besetzt.

Auch auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz (Maidan) der Hauptstadt protestierten Tausende Janukowitsch-Gegner. Der Präsident habe durch den brutalen Einsatz seiner Sondertruppen gegen Demonstranten den letzten Rückhalt in der Bevölkerung verloren, rief Ex-Innenminister Juri Luzenko von einer Bühne der Menge zu. Auch in weiteren Städten des Landes forderte die Opposition den Rücktritt der Führung, unter anderem wegen ihrer Abkehr von der Europäischen Union zugunsten einer Annäherung an Russland.

Klitschko ermutigt Demonstranten

Boxweltmeister und Oppositionspolitiker Vitali Klitschko kündigte für diesen Dienstag ein Misstrauensvotum gegen Asarow in Parlament an. "Eure große Zahl und Eure Stimmung geben uns Entschlossenheit - wir werden nicht innehalten", sagte Klitschko zu den Demonstranten, die auf dem Maidan Barrikaden und eine Zeltstadt errichtet hatten.

Beobachter sprachen von weniger Demonstranten als am Vortag. Hunderttausende Menschen hatten am Sonntag in Kiew den Rücktritt von Asarow und Janukowitsch sowie einen Westkurs ihres Landes gefordert.

Am Rande der Kundgebung war es zu Zusammenstößen von Randalierern mit der Polizei gekommen. Insgesamt mindestens 260 Menschen auf beiden Seiten seien verletzt worden, teilten die ukrainischen Behörden mit.

Der russische Vizeregierungschef Igor Schuwalow warb unterdessen erneut für einen Beitritt der Ukraine in eine von Moskau geführte Zollunion. Dies könnte dann auch zu einem günstigeren Preis für russisches Gas für die Ukraine führen, sagte er der Agentur Interfax zufolge. Russlands Außenminister Sergej Lawrow kündigte für diesen Donnerstag Gespräche mit seinem ukrainischen Kollegen Leonid Koschara in Kiew an. Lawrow weilt dann zu einem OSZE-Treffen im Nachbarland.

Merkel warnt vor Gewalt

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte vor Gewalt gegen friedliche Demonstranten. Sie forderte Präsident Janukowitsch und dessen Regierung auf, "alles zu tun, um die freie Meinungsäußerung und das Recht auf friedliche Demonstrationen stets zu schützen".

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, von den Pro-Europa-Kundgebungen gehe eine "sehr klare Botschaft" aus. "Es ist zu hoffen, dass auch Staatspräsident Janukowitsch diese Botschaft wahrnimmt." Deutschland sei weiterhin bereit, das von der Ukraine auf Eis gelegte Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen rief Regierung und Demonstranten im zweitgrößten Flächenstaat Europas zur Absage an Gewalt auf. "Ich appelliere an alle Parteien, unter allen Umständen auf Gewalt zu verzichten", heißt es in einer in Brüssel veröffentlichten Erklärung. Es sei "das Recht des Volkes, überall seine Ansicht in demokratischer Weise auszudrücken", betonte er.


Quelle:
dpa