Überlegungen zum domradio im Zeitalter globaler Kommunikation

Das Evangelium von den Dächern

 (DR)

Das Verhältnis der Kirche zu den Medien und das Verhältnis der Medien zur Kirche ist ein vielschichtiges Geflecht, das häufig kontrovers behandelt wird. Einschließlich der Frage, wem die Kirche den Vorzug geben soll - den traditionellen Printmedien, etwa einer qualitätsvollen Bistumszeitung oder elektronischen Medien mit Internet und einem eigenen Rundfunk. Dies ist keine Frage der Priorität, denn Printmedien wie eleldronische Medien sind nicht austauschbar. Sie haben, wie Untersuchungen belegen, eigene Aufgaben und eigene Zielgruppen. Für eine solide Öffentlichkeitsarbeit sind beide unverzichtbar. Das für den Welttag der Sozialen Kommun&ationsmittel im Jahre 2001 von Papst Johannes Paul II. gewählte Thema „Die Predigt von den Dächern-das Evangelium im Zeitalter der globalen Kommunikation" bietet sich an, einige grundsätzliche Anmerkungen zum Kölner domradio zu machen. Das Motto gibt Jesu eigene Worte wieder, wie er sie damals seinen Jüngern auftrug: „Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tage, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet von den Dächern."(Mt 10,27) Besonders die anschauliche Formulierung „das verkündet von den Dächern" findet sich heute in einer Kulisse wieder, die Städte und Dörfer prägt. Die Hausdächer sind übersät mit einem Wald von Sende- und Empfangsantennen oder Satellitenschüsseln, die Botschaften jeder Art in alle Welt aussenden und aus aller Welt empfangen. Nicht nur hierbei uns. Mir ist das in den Dörfern Keralas in Südindien ebenso wie in abseits gelegenen Ortschaften Süd- oder Mittelamerikas oder über den Dächern der Altstadt von Jerusalem aufgefallen. Weltweit - die Botschaften von den Dächern!
Das Kommunikationsnetz breitet sich rasant aus und wird von Tag zu Tag komplexer. Damit haben die elektronischen Medien in zunehmendem Maße Einfluss auf den Menschen, seine Kultur und deren Übermittlung. In dieser globalen Kommunikation mit den Möglichkeiten grandioser Übermittlungsgeschwindigkeiten von Fakten, Daten und Nachrichten, manchmal an der Grenze der In-flationierung, gibt es allerdings auch manche Fragezeichen im Blick auf diese Entwicklung. Nicht nur, dass wir Menschen in hohem Maße dadurch gefährdet sind, weil wir meinen, die Welt kennen zu lernen, während uns weitgehend
nur Bilder von ihr vorgesetzt werden, sondern insbesondere auch durch die Fragen, ob wir nicht zunehmend besonders von den elektronischen Medien in Bild, Wort und Ton dahin bestimmt werden, was wir kennen lernen und erleben, welche Erfahrungen wir sammeln, was und wie wir denken, was und wie wir empfinden, ja - was wir von uns selbst und voneinander halten sollen. Wir blättern unentwegt in diesem Bilderbuch der Wirklichkeit oder setzen uns dem endlosen Schwall der Wörter aus, ohne uns wirklich darauf einzulassen.
Für die Kirche ist es von entscheidender Bedeutung, dass unter den vielen Botschaften, die auf die Menschen eindringen, auch das Wort Gottes als Orientierungshilfe gehört und gelesen wird. Es ist, um ein Bild zu gebrauchen, wie bei einem nächtlichen Landeanflug auf eine Großstadt. Man schaut in ein riesiges Lichtermeer ohne zu erkennen, wozu die Lichter gehören: zu einem Palast, einer Fabrik, einem Sportplatz oder einer Kathedrale. Alles gleich hell beleuchtet.
Darin besteht für die Kirche die Herausforderung dafür zu sorgen, dass das Evangelium als Leucht-
zeichen erkennbar bleibt und das Wort Gottes nicht zu kurz kommt. Heute den Glauben von den Dächern zu verkünden bedeutet, die Mittel der Medienwelt nutzen, die eine große Zuhörerschaft erreichen. Auch in den globalen und schnellen medientechnischen Umwälzungen unserer Tage stellen Menschen dieselben Grundfragen nach dem Sinn des Lebens wie in allen Kulturen und zu allen Zeiten: Wer bin ich? Woher komme ich und wohin gehe ich? Warum gibt es das Böse? Was wird nach meinem Leben sein? Zu allen Zeiten bietet die Kirche die letztlich befriedigende Antwort auf die tiefgründigen Fragen des menschlichen Herzens: Jesus Christus selber „der dem Menschen den Menschen selbst voll kundmachtund ihm seine höchste Berufung erschließt" (Konzil, Gaudium et spes 22). Darum darf die Stimme von Christen niemals schweigen. Sie hat trotz aller Schwierigkeiten (zum Glück!) noch ihre eigenen Bistumszeitungen. Mit einem eigenen Rundfunksender, in Köln mit dem domradio, kann die Kirche mit einem weiteren Instrument zusätzlich „von den Dächern rufen", was der Herr ihr als Wort von dem Heil
anvertraut hat. Jenes Wort, nach dem sich der Mensch sehnt. Das ist kein einfaches Geschäft. Es muss genau definiert werden, was man will. Jeder Sender, auch ein domradio muss berechenbar, erkennbar und in der Zielgruppe benannt sein, damit besonders in der vielfältigen elektronischen Medien-landschaft von NRW dieses Unternehmen gelingt.
Papst Johannes Paul II. schrieb Anfang des Jahres: „Die Welt der Medien mag christlichem Glauben und christlicher Moral gegenüber manchmal gleichgültig oder sogar feindselig erscheinen. Dies zum Teil deshalb, weil die Medienkultur so tief von einer typisch postmodernen Auffassung durchdrungen ist, wonach die einzig absolute Wahrheit die ist, dass es keine absoluten Wahrheiten gibt oder diese, wenn es sie gäbe, der menschlichen Vernunft nicht zugänglich und daher irrelevant wären." So kommt es dann nicht mehr auf die Wahrheit an, sondern auf eine „gute Story", die möglichst aktuell und unterhaltsam zu sein hat. Aus ihrem Selbstverständnis heraus bietet die Kirche aber in ihrem eigenen Radio nicht nur die eine oder andere „Story" an, sondern sie hat die Pflicht, die Wahrheit zu verkünden. Wenn die Aussage des Papstes stimmt, dass die Welt der Medien mitunter gegenüber dem Glauben und der Kirche
gleichgültig erscheint, böte sich eben dadurch, dass man sich ein eigenes phantasievolles elektronisches Medium schafft, die Gelegenheit, die rettende Wahrheit Christi der Menschheitsfamilie zu verkünden. Ist ein solches Unterfangen nur gut gemeint und nicht gut gemacht, werden die erhofften Nutzer zur Tagesordnung übergehen. Das „Machen" erfordert Professionalität. Wenn sich die Kölner Kirche in der Medienwelt um ein eigenes Profil müht, sollte es neben dem bewährten Instrument einer Bistumszeitung auch die neue Chance für ein entwicklungsfähiges eigenes Radio geben. Es sei denn, dass man die Sendung in die Welt bis zu einem gewissen Grad preisgibt. Als öffentliche Größe steht das domradio zwischen den Fronten, in Interaktion, zwischen Anknüpfung und Widerspruch, von außen bestimmt und selbst bestimmend, passiv erleidend und aktiv anregend. Erst eine anspruchsvolle Öffentlichkeitsarbeit gepaart mit Phantasie macht den wahren Anspruch Jesu Christi offenkundig und sprengt den falschen Absolutheitsanspruch der Welt.