TV-Duell offenbart keine großen Unterschiede zwischen den Kandidaten

Eingeknickt und zugenickt

Wenig Zeit, kuriose Besetzung, diktierte Bedingungen: Das TV-Duell zwischen Merkel und Schulz hat sich in seiner jetzigen Form überholt. Es zeigte zudem: In vielen Fragen gibt es kaum Unterschiede zwischen den Kandidaten.

Autor/in:
Thomas Gehringer
TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz / © N.N. (dpa)
TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz / © N.N. ( dpa )

Und der Gewinner ist - Karl-Theodor zu Guttenberg. Sechs Jahre nach seinem unfreiwilligen Rückzug aus der Politik wurde er am Sonntagabend zumindest wieder in die deutsche Talkshow-Familie aufgenommen. "Sie wollen nicht wieder in die Politik zurück?", fragte Anne Will am Ende ihrer ARD-Sendung, die natürlich das vorangegangene TV-Duell zum Thema hatte. Womöglich sprach eine unbewusste Sehnsucht nach anderen Gesichtern im Berliner Politik-Zirkus aus dieser Frage.

Verständlich nach diesem politischen Fernseh-Hochamt, bei dem sich nach Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück nun auch Martin Schulz darin übte, der "All-inclusive-Kanzlerin" (Zitat Maybrit Illner) sozialdemokratisch Paroli zu bieten. Schulz gab sich punktuell angriffslustig und ließ immer mal wieder seine Volksnähe anklingen. So erfuhr man, dass kürzlich Handwerker mit Diesel-Fahrzeugen im Hause Schulz zu tun hatten, oder dass die nächste Moschee nur 500 Meter entfernt sei.

Keine großen Unterschiede zwischen den Kandidaten

Aus dem Hause Merkel erfuhr man weniger. Doch obwohl die Kanzlerin nicht durchgehend souverän wirkte und etwa beim Thema Diesel leicht ins Schleudern kam, konnte Schulz in dem telegenen Schaukampf wohl nicht die entscheidende Wende herbeiführen. Vielleicht weil Merkel auch mimisch über die stärkeren Waffen verfügt. Besonders wirksam: ihr Kopfnicken, mit dem sie beiläufig Übereinstimmung mit dem Herausforderer signalisierte.

Merkel nickte ziemlich häufig - und lieferte damit den sichtbaren Beleg dafür, dass in vielen Fragen keine großen Unterschiede zwischen Kanzlerin und Kanzlerkandidat bestehen. Wer darüber nicht eingenickt ist, dürfte sich fragen: Was nutzt die schönste Wechselstimmung, wenn es gar keinen Wechselkandidaten gibt? Auch nicht hilfreich ist, wenn schon Stunden vor der Live-Sendung eine vorbereitete Anzeige der SPD publik wird, nach der Martin Schulz als Sieger aus dem TV-Duell hervorgegangen ist.

Das erste und einzige direkte Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten von Union und SPD war in Berlin-Adlershof mit gewohnt großem Tamtam inszeniert worden. Vor dem Studio trommelten die Fans beider Lager, drinnen harrten Hunderte Journalisten und geladene Prominente aus. Die Opposition stellte nur Zaungäste, sie sollte am Montagabend im Ersten und im ZDF ihr eigenes Fernseh-Streitformat bekommen. Auch die CSU schickt dann jeweils einen Vertreter in die Fünfer- beziehungsweise Dreier-Runde, aber die Christsozialen waren ja in der großen Koalition gefühlt ebenfalls Opposition.

Abgesprochene Regeln?

Das TV-Duell hat sich in dieser Form jedenfalls endgültig überholt. Weil es absurd ist, wenn die Spitzen der Regierungsparteien unter sich bleiben. Und weil sich die Sender von der Kanzlerin die Regeln des Formats diktieren ließen. Angela Merkel hatte auf einer einzigen Sendung und auf dem gewohnten Ablauf früherer TV-Duelle bestanden - und hatte damit aus ihrer Sicht alles richtig gemacht. In der 97-minütigen Sendung am Sonntagabend blieb zu wenig Zeit für das breite Themen-Spektrum, das bei einer Bundestagswahl eine Rolle spielt.

So dominierten Flüchtlingskrise und außenpolitische Belange, was der Krisen-Kanzlerin in die Karten spielte. Der Rest verkam zur Resterampe. Und so scheiterte das Moderatoren-Quartett trotz manch zupackender Frage an der Aufgabe, die Unterschiede zwischen den Kandidaten klarer heraus zu arbeiten.

Zu viele Journalisten

Auch die Besetzung - vier Journalisten fragen, zwei Politiker antworten - ist kurios und für eine lebendige Sendung hinderlich.

Illner freute sich später im "Heute-Journal" über "ein munteres und sehr waches Gespräch", was bestenfalls streckenweise zutraf. Sandra Maischberger räumte bei Anne Will ein, in einer "Elefantenrunde" mit den Spitzenkandidaten aller Parteien hätte es mehr Kontroversen gegeben. Dabei gab es die "Elefantenrunde", nur auf der anderen Seite des Tisches.

Umfragen sehen mal Merkel mal Schulz vorne

Die Zusammenarbeit in der großen Fernseh-Koalition verlief weitgehend reibungslos, nur Sat.1-Vertreter Claus Strunz fiel durch populistische Zuspitzungen und verkürzte Zitate aus dem Rahmen. Auch in der Nachbereitung gab Sat.1 mit einem "Faktencheck spezial", bei dem kein einziger Fakt gecheckt wurde, ein seltsames Bild ab.

Wenigstens Martin Schulz konnte sich freuen: Strunz präsentierte eine Umfrage der Uni Freiburg, bei der eine Mehrheit den SPD-Kandidaten vorne sah, wenn auch nur mit 40,4 Prozent gegenüber 40,3 Prozent, die Angela Merkel als Gewinnerin bezeichneten. Übrigens war diese Erhebung angeblich genauso repräsentativ wie die Blitzumfrage von Infratest Dimap im Ersten, bei der 55 Prozent der Befragten der Ansicht waren, Merkel habe überzeugender argumentiert.

Nur 35 Prozent fanden Schulz überzeugender. Rätselhaftes Fernseh-Wahlvolk.


Quelle:
epd